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Leseprobe Robert James Lees "Reise in die Unsterblichke

19 Apr 2006 22:16 #1 von medizinmann99
Hallo,

ich denke das u.a. Buch ist sehr lesenswert, unten eine Leseprobe daraus. Der eigentliche „Roman“ beginnt nach dem Geleit. Geschrieben wurde es um 1898 von Robert James Lees. Meiner Meinung nach ist das Buch – aus einer Vielzahl von Gründen - wahr und beschreibt das tatsächliche „Land nach dem Tod“. Deswegen denke ich ist es höchst lesenswert und von allgemeinem Interesse.

Liebe Grüße

Medizinmann99

*********************************************************LESEPROBE***************************

ROBERT JAMES LEES



ZUM GELEIT

Mehr als ein halbes Jahrhundert hat es gewährt, bis dieses einzigartige Buch*), das in seiner englischen Original-Ausgabe bereits in hohen Auflagen erschienen ist, dem Leser auch in deutscher Sprache vorgelegt werden kann. Infolge seines zeitlosen Inhalts hat es in der Zwischenzeit auch nicht einen Jota an seiner Bedeutung für das Abendland eingebüßt. Um dies besser verstehen zu können, sei ein kurzes Wort der Einführung gegeben.
Robert James Lees war, wie sich aus einer eingehenden Beschäftigung mit seinem Leben und Werk ergibt, ein Mystiker von hohem Rang, dem es auf Grund seines vorbehaltlosen Glaubens und Dienens und eines bewunderungswürdigen Opfermutes gelang, eine reale geistige Brücke zwischen unserer irdischen Welt und den jenseitigen psychischen und rein geistigen Bereichen zu bilden. Seine angeborene und völlig außergewöhnliche mediale Befähigung schaffte hierzu auch physisch die Voraussetzung.
Die folgende auf das Allerwesentlichste beschränkte Biographie möge erkennen lassen, daß Robert James Lees alles andere als ein “Spiritist" war. Während den meisten heutigen Medien lediglich Erkenntnisse von Bewohnern des physischen Zwischenreiches übermittelt werden, die selbst noch manchen Täuschungen und Irrtümern unterliegen, stand Lees täglich im natürlichen geistigen Gedankenaustausch mit hohen Geisteswesen, die ihm einen zweifelsfreien Einblick auch in das Leben in den höheren geistigen Welten gewährten. Nur aus der Kenntnis der Person Robert James Lees' heraus wird seine (im englischen Original in einem schlichten kurzen Vorwort gegebene) Versicherung verständlich und glaubhaft, daß er nicht der Autor dieses Werkes war, sondern nur das ausführende Werkzeug seiner Freunde im geistigen Reich.
Wer sich von der Wahrhaftigkeit des Schreibers und seines Berichtes überzeugt hat, möge die Tatsachen dieses Buches auf sich wirken lassen als das, was sie sein sollen: nicht ein religionsschwärmerisches Trugbild, vielmehr der Augenzeugenbericht aus dem ersten Lande, das eine Seele nach dem Verlassen der Erde betritt.
JOHN
London und Krün/Obb. Peter Andreas

Leben und Werk des großen medialen Mystikers Robert James Lees
geboren am 12. August 1849 in Hinckley (Leicestershire) als Sohn eines Orgelbauers

Im Jahre 1863 erschien in der Zeitschrift “Medium and Daybreak" ein Bericht, der Aufsehen erregte: der zwei Jahre zuvor (am 14. 12. 1861) verstorbene Prinzgemahl Albert der Königin Viktoria, so hieß es, habe sich durch das “Knabenmedium von Birmingham", den damals 13 Jahre alten R. J. Lees gemeldet. Der Bericht stammte von dem Chefredakteur dieser Zeitschrift, James Burns, der dieses Ereignis mit erlebt hatte.
Zwei Wochen später erschien Burns erneut in Birmingham mit zwei Fremden, die er dem Jungen mit bürgerlichen Namen vorstellte*). Der junge James berichtigte ihn jedoch sofort und erklärte der Wahrheit gemäß, sie seien zwei Pairs vom Hofe, die die Königin in geheimer Mission geschickt habe. Er nannte sie bei ihren wahren Namen. Der eine von ihnen war Lord Stanhope. Sie waren gesandt, um sich mit eigenen Augen von der Wahrhaftigkeit des Berichtes zu überzeugen.
In Gegenwart der Pairs schrieb Lees mit der Handschrift des Prinzgemahls eine ihm von diesem diktierte Botschaft an

*) über diese und eine Reihe von anderen bemerkenswerten mystischen Erlebnissen mit Rob. James Lees wurde nicht nur in den Zeitungen der damaligen Zeit, sondern auch in den wissenschaftlichen Werken für dieses Gebiet, in Zeitschriften und Büchern ausführlich berichtet. Siehe u. a. Arthur Findlay: »The Curse of Ignorance Vol. II S. 950—953 und Reginald Lester: “Towards die Hereafter", S. 23 ff.

Königin Viktoria und unterschrieb mit einem Kosenamen, der nur der Königin bekannt war.
Die ihnen gegebenen Beweise müssen unumstößlich gewesen sein. Wie anders läßt es sich erklären, daß die Königin einige Zeit später das für ihren Ruf immerhin beträchtliche Risiko einging (England hatte schon damals eine freie Presse!), den jungen Robert James zu sich nach Schloß Windsor zu rufen, um ihn zu bitten, sich als Medium zur Verfügung zu stellen? Aber R. J. L. war für Aufgaben bestimmt, die kein anderer tun konnte; eine Bindung an den königlichen Haushalt hätte ihn von diesen Aufgaben abgelenkt. Seine geistigen Führer gaben, durch den Mund James', der Königin den Namen eines Bediensteten auf Schloß Balmoral, John Brown, der ihr als Medium dienen könne. Viktoria, die den Tod Alberts nicht hatte verwinden können, befolgte diesen Rat sofort und berief John Brown zu sich. Der urwüchsige, absolut nicht in das Hofleben passende Schotte nahm dann bis zu seinem Tode 20 Jahre später eine dominierende Rolle bei Hofe ein. Seine Stellung war in der Öffentlichkeit viel umrätselt, seine Tagebücher wurden auf Geheiß der Königin später verbrannt. Schon die verfassungsmäßige Bindung des englischen Königshauses in die anglikanische Kirche machte es der Monarchin gänzlich unmöglich, die wahren Gründe für ihr enges Verhältnis zu dem schottischen Bauernsohn bekanntzugeben.
Der Biograph E. E. P. Tisdall*) ist dem “Rätsel" John Brown nachgegangen und dabei ebenfalls auf R. J. Lees als Schlüsselfigur gestoßen. Nach Browns Tod rief die Königin Lees noch mindestens acht mal zu sich**). Lees Verbindung zum Hofe scheint auch in führenden Regierungskreisen bekannt gewesen zu sein. Die beiden größten Politiker der viktorianischen Zeit, Gladstone und Disraeli, suchten seinen Rat***). Bei seiner letzten Audienz kurz vor ihrem Tode bot Viktoria ihm einen Titel oder eine größere Geldsumme an — Lees schlug beides aus. Es ist nicht verwunderlich, daß der breiten Öffentlichkeit über diese hochinteressante geschichtliche Episode fast nichts bekannt wurde. Die offiziellen, vom Königshaus autorisierten Biographien über Viktoria enthalten naturgemäß nichts darüber.
Auch der Arzt Sir Arthur Conan Doyle, der den meisten Lesern nur als Autor der weltberühmten “Sherlock Holmes"-Geschichten bekannt ist, aber in damaliger Zeit zu den geachtetsten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens gehörte und dessen Rat von Persönlichkeiten wie Theodore Roosevelt, Edward VII. und Lloyd George gesucht wurde, gehörte zu dem Freundeskreis unseres Autors. Conan Doyle erforschte 30 Jahre lang mit wissenschaftlicher Gründlichkeit die spirituelle Erscheinungswelt und verbrachte die letzten Jahre seines Lebens (wie der “Manchester Guardian" am 22. Mai 1959 zu seinem 100. Geburtstag schrieb), “um das Evangelium des Überlebens (nach dem Tode) zu predigen und den größeren Teil seines Vermögens dafür zu opfern. Für ihn wie für viele hervorragende Wissenschaftler — Crookes, Flammarion, Lodge — schien der Spiritualismus die sinnvollste Antwort auf das religiöse Verlangen eines wissenschaftlich trainierten Verstandes zu bieten."

*) »Queen Viktorias John Brown", Stanley Paul & Co., London, und »Queen Viktorias Private Life", John Day, New York, 1962 S. a. »Welt am Sonntag", 26. 8. 1962

**) Daily Express, 7. 3. 1931 ***) „Two Worlds", 30. 1. 1931

Die außergewöhnlichen Fähigkeiten Robert James Lees' wurden schon zu frühen Zeiten wissenschaftlich untersucht. Der rasch erworbene Ruf als Medium brachte den 14jährigen Jungen in Verbindung mit dem Arzt und späteren Leiter des Queens Hospital in Birmingham, Dr. Richard Norris, der James 6 Monate lang unter ständiger ärztlicher Kontrolle hielt. Dr. Norris konnte unter anderem feststellen, daß der Junge in Trance Zeugnis von detaillierten medizinischen Kenntnissen gab, die er sich unmöglich selbst hätte aneignen können*).
*) »Two Worlds", 30. 1. 1931

Die Leser der “Reise in die Unsterblichkeit" werden erfahren, daß unter den geistigen Führern von Lees ein Arzt war.
Von 1864 bis 1868, insgesamt dreieinhalb Jahre, war der heranwachsende James ständiger Gast der Spiritistengruppe in Birmingham, zu deren Versammlungen er als Medium gebeten wurde. Eines Abends jedoch stellte der 19jährige fest, daß einige der erwachsenen Mitglieder der Gruppe unehrliches Spiel trieben und die von ihnen beigesteuerten “Phänomene" nur vortäuschten. Diese Enthüllung wirkte wie ein Schock auf den jungen Mann. Er verließ die Versammlung auf der Stelle, um — gegen den Druck seiner eigenen Familie — nie wieder zurückzukehren.
James hatte damals noch nicht durchschaut, daß das Gebiet des Okkulten ein Tummelplatz fragwürdiger Persönlichkeiten sein k a n n , die die Leichtgläubigkeit ihrer Mitmenschen zu kommerziellen oder anderen selbstischen Zwecken ausnutzen, daß aber dieser dunklen Seite ein grundechter Kern von unbestechlichen, kritischen und häufig wissenschaftlich gebildeten Menschen gegenübersteht, die unwiderlegbare Beweise für die Echtheit der von ihnen erlebten Phänomene fordern und erhalten. Der größte Teil der Menschheit ist zur Verallgemeinerung rasch bereit, ohne selbst die geringste Kenntnis von dem wahren Sachverhalt zu haben. Man kann es dem persönlich beteiligten und deshalb tief betroffenen 19jährigen James kaum verübeln, daß er sich fortan leidenschaftlich gegen den Okkultismus wandte.
James nahm nun zunächst eine Lehrstelle an und übersiedelte dann nach seiner Eheschließung im Jahre 1870 nach Manchester, wo er vorübergehend auch beim “Manchester Guardian" tätig war. 1874 schloß er sich, immer noch von dem Gedanken beseelt, den Okkultismus zu bekämpfen, dem anglikanischen Geistlichen Rev. Thomas Ashcroft an, der auf Vortragsreisen in ganz England gegen den okkultischen Betrug zu Felde zog (aber unterschiedslos a l l e s als Betrug bezeichnete).
R. J. L. — er ging 1877 nach London — blieb 10 Jahre lang mit Ashcroft verbunden. Seine medialen Fähigkeiten, die er in dieser Zeit wohl nicht weiter entwickelt, aber keinesfalls verloren hatte, waren für Ashcroft eine unschätzbare Hilfe. James brachte bei den Vortragsabenden auf offener Bühne Tische und Stühle — wie er meinte, durch reine “Willenskraft" — zum Rücken und vollführte andere “Tricks", alles in der Absicht, zu beweisen, daß man in die von den Spiritisten auf Geisterhilfe zurückgeführten Phänomene auch auf völlig “normale" Weise erzeugen könne.
Es war vielleicht ein Stück Vorsehung, daß R. J. L. durch diese Periode gehen mußte, in der er übrigens keineswegs ein Atheist war, sondern seine Bibelstudien noch vertiefte, stets auf der Suche nach der spirituellen Wahrheit. In bezeichnender Fairness erklärte er aber auch während dieser Zeit, daß er nicht zögern würde, seinen Irrtum öffentlich einzugestehen, falls ihn Beweise eines Tages eines anderen belehren sollten.
Dieser Tag kam im November 1884, als R. J. L. von einem Bekannten dazu herausgefordert wurde, seine “Betrugstheorie'' unter wissenschaftlichen Bedingungen zu beweisen. Zusammen mit einem Dritten wurde eine Serie von Sitzungen nach genau festgelegten Bedingungen vereinbart, bei denen James die Rolle des Mediums übernahm. Zu seiner eigenen größten Überraschung waren die dabei durch seinen Mund übermittelten Botschaften solcher Natur, daß sie nicht von lebenden Menschen kommen konnten.
R. J. L. wurde kraft der ihm zuteil gewordenen unwiderleglichen Beweise im wahrsten Sinne des Wortes von einem “Saulus" zu einem “Paulus". In der Zeitschrift “Light" vom 22. 5. 1886 schreibt er nach weiterer zweijähriger Erfahrung darüber unter anderem: “Ich könnte, wenn nötig, noch fünfzig Beispiele aufzählen, von denen keines durch die Theorie erklärt werden kann, die ich bisher vertreten habe. Durch das Gewicht der Beweise bin ich dazu gezwungen, meine Einstellung zu ändern und die demonstrierte Tatsache zu akzeptieren, daß körperlose Freunde zu uns zurückkommen können, um uns Mitteilungen zu machen. Damit meine ich nicht, daß alle Phänomene des Spiritismus einen solchen Ursprung haben — weit entfernt davon. Ich glaube, daß ein großer Teil dessen, was der “anderen Welt" zugeschrieben wird, absolut nichts mit den Verstorbenen zu tun hat und in jeder Weise das Resultat von psychologisch erklärbaren Kräften ist, die von den Seanceteilnehmern entwickelt werden ..."
R. J. L. stellt dann die Frage, warum er diese Beweise von seinen geistigen Führern nicht schon früher erhalten habe und meint “Ich habe viel gelernt während der letzten 12 Monate und kann jetzt sehen, daß ich ihnen (den geistigen Führern) nicht die Gelegenheit dazu geben wollte. Ich suchte nach den großen Wahrheiten der geistigen Welt, aber ich forschte nach ihnen am falschen Platz und im falschen Geiste. Ich wollte nach meinen eigenen Regeln überzeugt werden, versuchte, die Gesetze der Unendlichkeit meinem eigenen kleinen Geist zu unterwerfen, statt der Unendlichkeit zu erlauben, mich zu ihr emporzuheben. . . . Unsere ganze Suche geht nach ,Zeichen und Wundern', in der Sucht nach sensationellen Begebenheiten, bei der die wahren Lehren des Jenseits uns verloren gehen. Man ruft die Geister, denen man gleich ist, und der Wunsch nach solchen Taschenspieler-Leistungen zieht nur die Geister an, die in solchen Dingen Befriedigung finden. Jene Freunde, die uns die höchsten und erhabensten Wahrheiten des geistigen Lebens demonstrieren können, sind anderer Art . . . Bisher waren wir zufrieden mit der Verbindung zu Geistern, die in den allermeisten Fällen wenig mehr als wir selbst wußten; in ihrem Wunsch, als weise zu gelten und unsere Neugier zu befriedigen, haben sie von Dingen gesprochen, über die sie ebensowenig wußten wie wir. Daher der Widerspruch und die Verwirrung, die heute bestehen. Es ist Zeit, daß solche Dinge ein Ende haben ... ich hoffe, daß die Zeit nicht fern ist, da der Spiritismus sich der krankhaften Tendenz entledigt, die ihn zur Zeit umgibt, und seine wahren Möglichkeiten erkennt: sich aufzuschwingen auf eine größere Höhe, wo er seinen göttlichen Auftrag offenbaren kann!"
Bald nach den ersten, damals noch in Trance erhaltenen Beweisen hörte er, diesmal allein und auf offener Straße, eine Stimme neben sich, die ihm eine Botschaft für einen ihm völlig unbekannten Amerikaner auftrug, der sich angeblich in einem bestimmten Londoner Hotel aufhalten sollte. (Die Schwester des Amerikaners war gestorben.) Dieser Fall stellt einen prima facie-Beweis dar, denn nicht nur die Angaben über Hotel, Namen und Zimmernummer des Fremden stimmten, sondern dieser hatte selber noch keine Ahnung von dem Todesfall (er wurde kurz darauf durch ein Telegramm bestätigt). Telepathie, Gedankenlesen oder Erinnerung aus dem “Tiefengedächtnis" scheiden als mögliche Erklärungen aus.
R. J. L. hat in späteren Jahren ungezählte, noch viel erstaunlichere Beweise seiner Verbindung mit einer Welt gegeben, die mehr weiß als wir. In sieben Fällen half er durch die von seinen geistigen Führern gegebenen Hinweise bei der Aufklärung von Kriminalfällen. Der bekannteste dieser Fälle ist der des Londoner Frauenmörders “Jack the Ripper"*), der seine Opfer auf furchtbare Weise verstümmelte und monatelang das Londoner East End in Schrecken setzte, ohne je der Polizei eine Spur zu liefern.

*) Daily Express, 7. 3. 31: “Es ist bekannt, daß Mr. Lees mehr als einmal von der Königin Viktoria empfangen wurde, die an seinen übersinnlichen Fähigkeiten interessiert war . . . und es ist bekannt, daß er im Zusammenhang mit der Mordserie in Whitechapel (Jack the Ripper) erneut im Palast empfangen wurde".

R. J. L. war zu dieser Zeit bei Scotland Yard schon kein ganz Unbekannter mehr. Man nahm die von ihm angebotene Hilfe an. Wenig später führte Lees die Polizei vor das Haus des Verbrechers. Seine Schuld wurde einwandfrei festgestellt, doch fand niemals ein Gerichtsverfahren statt. “Jack the Ripper" war ein bekannter Modearzt des Londoner Westend. Er litt, wie sich herausstellte, an einer Spaltungspersönlichkeit, deren niederer Teil verbrecherisch und grausam war — eine unheimlich realistische Verkörperung des “Jekyll and Hyde"-Themas, die man in das Reich der Kriminalliteratur verweisen würde, gehörte sie nicht zur nachforschbaren Wirklichkeit. “Jack the Ripper" beendete sein Leben in einer Irrenanstalt.
“Daily Express" hat diesen Fall und den entscheidenden Anteil R. J. Lees' ausführlich beschrieben (7. März 1931), wenn die Zeitung auch die medialen Quellen Lees' falsch interpretiert. Scotland Yard hat die Akten und den Namen des Verbrecher-Arztes niemals veröffentlicht und auch R. J. Lees zum Schweigen verpflichtet. Nach seinem Tode bemühten sich mehrere Zeitungen vergeblich, den Namen von seiner Tochter zu erfahren, die als einzige eingeweiht war.
Das geistige “Erwachen" Lees' fiel übrigens in eine Periode, in der ihn das materielle Schicksal vor immer neue Prüfungen stellte und Existenzsorgen ihn auf das stärkste bedrückten. Er war 1877 von Manchester einem Ruf nach London gefolgt, um die Redaktion der Zeitschrift “The British Architect" zu übernehmen, eines Unternehmens, das ihm später auf das übelste mitspielte. R. J. L. hat sein Schicksal in jenen Jahren in dem weitgehend autobiographischen Roman “The Heretic" (Der Ketzer) beschrieben.
Trotz der Prüfungen dieser Zeit ließ sich R. J. L. niemals daran hindern, seinen Mitmenschen zu helfen, wo er nur konnte. So gründete er die “Bruderschaft", eine karitative Einrichtung für die ärmeren Bevölkerungsschichten in Peckham (Süd-London), predigte auf öffentlichen Plätzen und gab seine Hilfe als Medium und Heiler. Er hat sein Leben lang nie einen Pfennig für diese Tätigkeit genommen.
Seine geistige Entwicklung nach 1886 schritt unterdessen immer weiter. Sie wurde schließlich so stark, daß sich die Freunde und Lenker im Jenseits in seiner Gegenwart bei vollem Tageslicht materialisieren konnten. Diese Lichtwesen kamen — mit einer Ausnahme — ausschließlich aus dem reingeistigen Reich und nicht aus dem psychischen Zwischenreich, das für fast alle Menschen die erste Stufe nach dem körperlichen Tode zu sein scheint. Der Unterschied zwischen diesen beiden Reichen ist von R. J. L. immer wieder betont worden; der Obergang von einem zum anderen (“niemand kommt zum Vater, es sei denn er werde neu geboren") wird von Aphraar, dem Berichterstatter des vorliegenden ersten Bandes, in dem dritten Bande, »The Gate of Heaven" (“Vor dem Himmelstor") anschaulich beschrieben.
In seiner Schrift “My books — how they were written" schildert R. J. L., wie es zur Entstehung des ersten Bandes kam. Der Gedanke, James' geistige Freunde um eine zur Veröffentlichung geeignete Schilderung zu bitten, ging von einem kleinen Kreis von Menschen aus, die R. J. L. besonders nahestanden. Erst nach langer und sorgfältiger Überlegung wurde das Projekt von der “anderen Seite" für gut geheißen. James´ Freunde im reingeistigen Reich fanden in Aphraar einen noch im Zwischenreich weilenden Menschen, der als “Hauptperson" des Buches geeignet schien. Aphraar brachte ideale Voraussetzungen mit: Er war Engländer und erst seit so kurzer Zeit durch den körperlichen Tod gegangen, sodaß das viktorianische Zeitalter (“Die Reise in die Unsterblichkeit" wurde 1888 begonnen) für ihn noch selbsterlebte Wirklichkeit war. Gleichzeitig aber war er ohne Laster, von edlem Charakter und unbelastet von orthodoxen Glaubensvorstellungen.
“Wir waren ein seltsam Zusammengesetzes Quartett, als wir mit der Arbeit begannen", schreibt R. J. L. “Myhanene und Cynthus aus dem reingeistigen Reich, ich, sterblicher Bewohner der Erde, stand am anderen Ende der Skala, während der Zwischenzustand durch Aphraar vertreten war. Der Unterschied zwischen uns war in fast schmerzhafter Weise offenkundig. Er lehrte mich mehr als alles andere, die Dreiteilung unserer Welt in Materie, Psyche und reinen Geist zu begreifen. Myhanene, Cynthus und ich konnten unsere Körper ohne Anstrengung aufrechterhalten; nicht so aber Aphraar, der für mich nur mit Hilfe Myhanenes und einer vielleicht zum Teil von mir entliehenen Energie sichtbar blieb. Während unserer ersten Sitzung löste sich sein materialisierter Körper zwei Mal plötzlich auf und mußte wieder neu aufgebaut werden."
R. J. L. beschreibt weiter, wie das eigentliche Diktat vor sich ging. Aphraar pflegte seine Erlebnisse zu erzählen, während die anderen hier und dort Fragen und Hinweise anbrachten, um das Bild abzurunden. Aphraar hatte sein Leben lang die Liebe seiner Mutter entbehrt. Das letzte Kapitel der “Reise in die Unsterblichkeit" stellte daher für ihn das Erreichen eines Zieles dar und man hielt es für richtig, den Band damit abzuschließen. “Selten", schreibt R. J. L., “waren bei dem Diktat weniger als 4 Personen anwesend".
Man darf aus dieser “Teamarbeit" aber nun nicht schließen, daß R. J. L. mit dieser Niederschrift leichte Arbeit hatte. Das Gegenteil war der Fall. Zeugen, die in seiner engsten Umgebung waren, wissen zu berichten, daß er nach diesen Sitzungen häufig bewußtlos vor Erschöpfung — jedoch sorgsam in einen Lehnstuhl gebettet — aufgefunden wurde. Geistige Wesen benötigen zur Materialisierung einer als “Ektoplasma" bekannten stofflichen Materie, die sie aus den Zell-Emanationen lebender Menschen aufbauen. Ein Medium gibt also ständig von seiner eigenen Lebenskraft. In jeder Sitzung konnten deshalb nur wenige Seiten niedergeschrieben werden; die gesamte Arbeit — sie wurde nach dem ersten Diktat noch einmal gründlich überarbeitet — erstreckte sich über nicht weniger als 10 Jahre!*)

*) Ich habe im Studio in Leicester allein 5 handgeschriebene Manuskripte dieses Buches in Händen gehabt, die noch viele weitere unveröffentlichte Tatsachen über das Jenseits enthalten.
Der Herausgeber.

Im Jahre 1895, also noch 3 Jahre vor ihrem Abschluß, brach R. J. L. durch körperliche Erschöpfung zusammen und wurde nach St. Ives an der Nordwestküste Cornwalls geschickt. Das gesunde und ozonreiche Seeklima schien nicht nur ihm selbst gut zu tun, sondern auch die Materialisierungen zu erleichtern, sodaß die “Reise in die Unsterblichkeit" 1898 erfolgreich abgeschlossen werden konnte. Im Jahre 1900 zog die Familie Lees nach Plymouth, wo James unter anderem das Amt des Predigers der Kongregationalisten-Gemeinde übernahm. Hier, von 1900 bis 1902, entstand der autobiographische Roman “The Heretic", der das Schicksal des Autors über die vergangenen 25 Jahre umschließt. Das weiche Klima der englischen Südküste war jedoch seiner Gesundheit nicht zuträglich, sodaß die Familie 1902 nach Ilfra-combe (Nord-Devon) übersiedelte.
R. J. L. hat 26 Jahre in Ilfracombe gelebt, wenn er auch häufig zu Vorträgen nach London und in andere Teile des Landes gerufen wurde. Er hat während dieser Zeit ungezählten Menschen durch seine medialen Heilkräfte geholfen. Gleichzeitig begann er mit der Niederschrift (wiederum bei körperlicher Anwesenheit seiner Freunde) seines zweiten Bandes “The Life Elysian**), der in vieler Hinsicht eine Ergänzung und Erläuterung des ersten ist. **) Dieses Buch ist in deutscher Übertragung unter dem Titel “Das elysische Leben" zusammen mit dem dritten Buch “Vor dem Himmelstor" als Band II der »Reise in die Unsterblichkeit" im gleichen Verlag erschienen.

Das hier wiederum sehr günstige Seeklima und die wohl etwas leichter darstellbare Materie des Buches ermöglichten es, das Diktat in zwei Jahren abzuschließen.
Im Jahre 1912 starb James' Frau, die ihm 16 Kinder geschenkt hatte. Neue Sorgen und Anforderungen setzten der Gesundheit des 66jährigen schließlich so zu, daß er dem Kräfteverzehr der Materialisation nicht länger gewachsen war. Wie auch schon früher, benutzten ihn seine geistigen Freunde jetzt nur noch als Sprachmedium, doch entwickelten sie das, was man bei anderen als “Trancezustand" zu bezeichnen pflegt, zu einer solchen Vollendung, daß James auf öffentlicher Plattform mit den Zungen seiner Freunde sprach, ohne daß seine Zuhörer das geringste davon merkten. R. J. L. war zeitlebens ein Feind jeden auffälligen Gebarens in spirituellen Dingen; für ihn, wie übrigens auch für seine Kinder, die ja damit aufwuchsen, war der ständige Kontakt mit dem geistigen Reich etwas Natürliches. Nur an einer leichten Veränderung der Stimme und des Gesichtsausdrucks vermochten seine engsten Freunde zu erkennen, daß er “unter Kontrolle" stand.
Mit Rücksicht auf den angegriffenen Gesundheitszustand James' wurde der letzte Band der Triologie, “The Gate of Heaven" ihm durch Hellhören (clairaudience) diktiert. Die nun fehlende Möglichkeit direkter Zwiesprache und Rückfrage wurde auf einem anderen Wege ausgeglichen. Schon in der “Reise in die Unsterblichkeit" wird gesagt, welche Möglichkeiten im Schlaf leben des Menschen verborgen sind*).
*) Eine ausführliche Beschreibung findet sich in Band II, S. 278 ff.

R. J. L. hatte mit Hilfe seiner geistigen Freunde dieses Schlafbewußtsein mittlerweile bei sich so entwickelt, daß er es völlig mühelos mit in das Wachbewußtsein hinübernehmen konnte. Die Niederschrift des dritten Bandes wurde deshalb während der Schlafstunden James' im engsten geistigen Kontakt mit seinen Freunden sozusagen “vorbesprochen" und konnte dann am Tage durch Hellhören (clairaudience) umso leichter und schneller erfolgen. In der Tat brauchte er für “The Gate of Heaven" nur 12 Monaten, eine sehr kurze Zeit im Vergleich zu den beiden vorangegangenen Werken.
Die letzten 3 Jahre seines Lebens verbrachte R. J. L. in Leicester, um denen näher zu sein, die Heilung oder Rat von ihm suchten. Seine Gesundheit war längst nicht mehr kräftig genug, um die enorme physische Belastung direkter Materialisationen — auf sich allein gestellt — auszuhalten. In spiritistischen Zirkeln hätte er mit Hilfe der physischen Gegenwart anderer Sitzungsteilnehmer noch genug Phänomene erzeugen können, um die Welt in Erstaunen zu versetzen. Aber James Lees hat sein Leben lang okkulte Schaustellung gemieden, nachdem er einmal erfahren hatte, aus welcher makellosen, reingeistigen Quelle seine Botschaften kamen.
In Leicester verschlechterte sich seine Gesundheit weiter, und er starb schließlich, 81 Jahre alt, am 11. Januar 1931. Seine Tochter hat miterlebt, wie man “Drüben" um das Leben dieses Menschen kämpfte, dessen Mission noch nicht beendet war — doch wo der Körper zu schwach geworden ist, die Seele zu halten, hat offenbar auch die Macht des Jenseits ein Ende.

Robert James Lees war ein Medium, wie es der Menschheit nur selten geschenkt wird. R. M. Lester**) nennt ihn “eines der berühmtesten Medien aller Zeiten.
**) Col. Reginald M. Lester: “Towards the Hereafter". Lester ist Gründer der “Churches Fellowship for Psychical Study" in London, einer offiziellen Organisation, der zahlreiche anglikanische Bischöfe und andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens angehören.

Es hat ohne jeden Zweifel innerhalb der letzten Generationen kein anderes Medium dieses Formats gegeben"***).
***) Die Autoren dieser Biographie haben die Zeugenaussagen seiner Tochter Eva Lees und seines Sohnes Claudius Lees, beide Leicester, auf Tonbändern festgehalten und deren Übereinstimmung, zum Teil unabhängig voneinander, mit den Äußerungen Dritter festgestellt.

Aber seine außergewöhnlichen Resultate waren nicht nur auf die ihm von der Natur mitgegebene Befähigung zurückzuführen. Viele Menschen haben eine mediale Veranlagung, die ihnen mehr oder weniger deutliche Botschaften aus dem psychischen Zwischen-Reich zuträgt. Daß er erwählt wurde, in direktem Verkehr mit Bewohnern der reingeistigen Sphäre zu treten, ist in erster Linie ein Ergebnis seines im bedingungslosen Glauben und Wirken nach den Geboten Christi gelebten Lebens.
Er hat ungezählte Briefe von den Lesern seiner Bücher erhalten und beantwortet; und immer wieder tauchte darin die Frage auf, durch welche Mittel man zu einer direkten Kommunion mit den Lichtwesen gelangen könne. Lassen wir ihn abschließend die Antwort selbst geben:*)
*) “My books — how they were written".

“Das Buch ,der Ketzer' wurde unerwartet nötig durch den ständigen Strom der Korrespondenz ... in der gefragt wurde, ob mein Vorwort wörtlich zu nehmen sei und durch welchen Entwicklungsprozeß ich die Möglichkeit einer sichtbaren und fühlbaren Kommunion erreicht hätte. Myhanene las schnell zwischen den Zeilen dieser Anfragen und erlaubte nur die kurze Antwort, daß diese Entwicklung in einem besonderen Band beschrieben werden würde, der sich in Vorbereitung befand . . .**) Wer dem Ruf nach einem solchen Dienst folgen will, muß ein Leben führen, das der Erfüllung von Pflichten und Verantwortungen gewidmet ist. Jeder, der den Lorbeer eines solchen Dienens zu tragen trachtet, möge erst einmal darüber nachdenken, welch ein Preis dafür gezahlt, welche Schlachten dafür geschlagen werden müssen und sich über die Natur des unerbittlichen Schmelztiegels klar werden, durch den erst die notwendige Vergeistigung gewonnen werden kann ... Ich brüste mich weder damit, noch beklage ich mich, sondern stelle einfach klare Tatsachen fest. Hätte es auf den Gipfeln für mich nicht die himmlischen Visionen gegeben, ich hätte niemals den Mut gehabt, die Schatten der Täler zu betreten . . . Aber nach allem was ich heute weiß, würde ich gerne noch einmal alles durchmachen, auch wenn ich nur ein Zehntel der erzielten Resultate zu erhoffen hätte."
Auf die Nachrufe am Schluß dieses Bandes wird verwiesen.
London, im Herbst 1960
Peter Andreas JOHN

**) Es handelt sich um das bereits erwähnte Buch: »The Heretic" (Der Ketzer)



DURCH DIE NEBELWAND

Auf Erden galt ich als ein Menschenfeind. Das mag seltsam klingen als Einleitung zu dem, was ich hier zu sagen habe, und deshalb möge mir eine kurze Rückschau erlaubt sein, bevor ich meine Leser über die Grenze des Diesseits in eine andere Welt führen kann.
Meine Kindheit war von den Vorboten eines unfreundlichen Schicksals überschattet. Meine Mutter starb bei meiner Geburt; mein Vater war ein starrsinniger Calvinist, der sein Leben so minutiös einzuteilen liebte wie man eine Bauzeichnung anfertigt. Versehen mit einem Amt im Verwaltungsrat seiner Kirche und einem ausreichenden Bankguthaben, führte er ein Leben, das in seiner Umgebung als “mustergültig" angesehen wurde.
Nicht so selbstgerecht waren meine Geschwister, doch konnte ihre schließlich fast in offene Rebellion ausartende Auflehnung gegen die Methoden meines Vaters diesen niemals auch nur im geringsten beeinflussen. Ich selbst hatte zu keinem Mitglied meiner Familie ein herzliches Verhältnis. Nie sprach jemand mit mir über meine Mutter, kaum daß ihr Name hin und wieder erwähnt wurde. Doch hatte ich immer das Gefühl, es wäre alles anders gewesen, hätte sie noch gelebt. Meine früheste Erinnerung ist ein “christlicher" Kindergarten, dessen Leiter ich wegen seiner Falschheit und Heuchelei verabscheute. Nur zu bald lernte ich jene hassen, die im täglichen Leben wie im Gebet so gut zu lügen wußten.
Bücher waren der ganze Trost meiner Kindheit. Sie wurden meine einzigen Vertrauten, die Dichter meine engsten Freunde, während ich für die Menschen meiner Umgebung immer mehr Abneigung empfand.
Ich interessierte mich für Religion, befaßte mich mit ihren Problemen aber ganz nach meinem eigenen Verstande und dem reinen Wort der Bibel, so wie ich es verstand. Meine Beobachtungen beim Gottesdienst der verschiedenen Sekten bestärkten in mir nur das Gefühl, daß sie weit mehr einer äußeren Form dienten als dem wahren Geist des Christentums. So lernte ich auch auf diesem Gebiet, mich nur auf mich selbst zu verlassen und auf die Einsicht eines gerechten Gottes zu vertrauen, wenn ich in meinem ehrlichen Bemühen auch vielleicht nicht alles richtig verstand.
Und gerade dabei empfand ich, daß mir Hilfe zuteil wurde: geführt von einer Kraft, die ich als Inspiration empfand, gelangte ich oft in die dunklen Höfe und Gassen des Londoner Ostens, in denen Laster und Armut im Übermaß zuhause sind und wo Hilfe am dringendsten benötigt und am seltensten geleistet wird: wo die Bewohner nichts von höheren Dingen verstehen, sondern vielmehr nach menschlichem Mitgefühl verlangen. Dort, so fühlte ich, unter den Parias der menschlichen Gesellschaft, hatte ich eine Botschaft zu bringen, die immer verstanden wurde,, ein Evangelium zu predigen, das nicht in taube Ohren fiel, eine Saat zu säen, die sechzig- und hundertfältig aufgehen würde.
Im England meiner Jugend waren es die Reichen, die die Tempel bauten, ihre Kirche finanziell aufrecht erhielten und für das Gehalt ihres Geistlichen aufkamen. Soweit sie nur tüchtig für ihr persönliches Heil bezahlten, hielten sie es nur für recht und billig, dafür auch entsprechende Belohnung zu erwarten. Anders die Armen. Für sie war nur die weißgekalkte, schlecht beleuchtete und zugige Missionshalle da; sie hatten anscheinend kein Recht, einen Empfang im Jenseits zu erwarten wie diejenigen, für deren Abgang von dieser Welt ein geschmückter, vierspänniger Leichenwagen bereitstand. All das brachte mich von Anfang an dazu, mein Herz den Armen zuzuwenden.
Niemals konnte ich verstehen, warum es auf dieser Welt Armut und in jener Verdammnis geben sollte, und manchmal fühlte ich das Verlangen, recht bald von der Erde zu scheiden, um der Vielzahl jener Trost geben zu können, deren Leben im Diesseits ihnen ein Schuldkonto in der Hölle zu errichten schien.
Die große Wandlung überkam mich unerwartet eines Abends, als ich mich wieder einmal auf den Weg in die Armenviertel gemacht hatte. In Gedanken verloren ging ich eine belebte Straße entlang, als ich plötzlich einen Schrei hörte und ein Kind sah, das mitten auf der Fahrbahn unter die Hufe eines Pferdegespanns geraten war. Der unglückliche kleine Kerl war nicht weit entfernt von mir, sodaß ich — nicht an meine eigene Sicherheit denkend — hinzustürzte, ihn ergriff, mich umwandte, und —
Irgend etwas hatte mich berührt. Ich preßte den Jungen fester an mich und machte einen Schritt vorwärts. Der Lärm ebbte ab. meine Umgebung versank in Nichts, als ob ein großer Zauberer seinen Stab darüber geschwungen hätte — dann aber lichtete sich das Dunkel und ich fand mich, auf einem Wiesenhang liegend, in einem verzauberten Land wieder.
Noch immer hielt ich den Jungen in meinen Armen, doch ein Blick auf ihn belehrte mich, daß sich mehr als nur die Umgebung verändert hatte. Als ich ihm zu Hilfe geeilt war, hätte kaum jemand an dem barfüßigen, ungekämmten und im ganzen Gesicht beschmutzten Kerlchen Gefallen finden können — jetzt aber bot er einen wahrhaft engelsgleichen Anblick! Mein eigener Straßenanzug war auf rätselhafte Weise einem locker wallenden Gewand gewichen, das irgendwie ein fester Bestandteil von mir zu sein schien. Bei alledem hatte ich in gleichem Maße wie zuvor das Bewußtsein meiner selbst. Was war nur geschehen?
Auch mein Schützling war sich zweifellos der großen Veränderung in und um uns bewußt, doch schaute er mich mit lachenden Augen an, ohne eine Spur von Angst. Sicher wartete er auf ein erklärendes Wort, aber Aufklärung hatte ich zunächst selbst bitter nötig! Schließlich lehnte er den Kopf an meine Schulter und schlief ein. Ich hielt ihn fest, während immer wieder eine Frage durch meinen Kopf ging: Wo sind wir?
Ich lag am Rande eines Wiesengrundes gebettet, der wie ein riesiges Amphitheater geformt war; in seiner Mitte schienen die Akteure dieses Schauspiels mit der Begrüßung von Neuankömmlingen beschäftigt. Hätte ich begriffen, was vor meinen Augen lag, es wäre ein höchst angenehmer, ja faszinierender Anblick gewesen, so aber war ich mehr von Neugierde als von einem anderen Gefühl erfüllt.
Von dem Schauspiel vor mir wußte ich weder Namen, Inhalt noch Mitwirkende. Immerhin konnte ich aber erkennen, daß es sich um zwei verschiedene Gruppen von Personen handelte: die einen, offenbar hier heimisch, trugen Gewänder verschiedener Farbtönung. Einige dieser Farben hatte ich noch nie gesehen. Die anderen, zahlenmäßig in der Minderheit, schienen Fremde zu sein, die, gerade eingetroffen, auf die Hilfe der Einheimischen angewiesen waren. Woher mochten sie kommen? Hinter ihnen erstreckte sich eine Ebene, über die ständig neue Menschen hin- und hergingen, in der Ferne aber eine dichte hohe Nebelwand, deren Umrisse sich seltsam deutlich abhoben.

Die Sicht war so ungewöhnlich gut, daß ich trotz beträchtlicher Entfernung klar erkennen konnte, wie Menschen aus dem Nebel auf die Ebene heraustraten. Gleichzeitig sah ich noch etwas sehr Erstaunliches, von dem ich nicht wußte, ob es Wirklichkeit war oder optische Täuschung: Die Gewänder der “Einheimischen" verloren ihre Farbe, sobald sich ihre Träger in Richtung auf die Nebelwand zu bewegten, bis in der Ferne nur noch ein einheitliches Grau zu sehen war. Umgekehrt aber, wenn die Betreffenden zurückkehrten, nahmen die Gewänder auf unerklärliche Weise wieder ihre ursprüngliche Farbe an. Ein magischer Einfluß schien über der ganzen Szene zu liegen.
Als ich die Nebelwand näher betrachtete, durchfuhr mich ein leichter Kälteschauer, so, wie man ihn spürt, wenn man an einem unwirtlichen und naßkalten Spätherbsttag aus dem Fenster blickt. Vielleicht war es nur Mitleid mit denen, die dort auf die Ebene hinaustraten, denn viele von ihnen schienen völlig erschöpft zu sein. Einige mußten von ihren Beschützern herausgeleitet werden, manche wurden über die ganze Ebene getragen, bis sie die Kraft hatten, wieder auf ihren Füßen zu stehen.
Ich weiß nicht, wie lange ich in diesen Anblick vertieft gewesen war, als ich plötzlich Jemanden neben mir gewahrte. Ich stand auf, ihn zu begrüßen, und erst jetzt wurde ich gewahr, daß um mich herum auf dem Wiesenhang noch viele andere gelagert hatten, offenbar Fremde wie ich selbst. Doch meine Aufmerksamkeit galt jetzt dem vor mir Stehenden, der mir gewiß Antwort zu geben vermochte auf die vielen Fragen, die sich mir aufdrängten.
Er wußte, was in mir vorging, noch bevor ich das erste Wort über die Lippen brachte. Auf den noch immer schlummernden Knaben weisend, sagte er:
“Es wird gleich jemand kommen, der alle deine Fragen beantwortet: meine Aufgabe ist es, den Jungen mitzunehmen."
“Den Jungen?" fragte ich, unsicher, ob ich ihn hergeben sollte, “wohin? Nach Hause?"
“Ja, nach Hause."
»Aber wie kommen wir wieder zurück? Wie sind wir überhaupt hierhergekommen, wo sind wir?"
“Du mußt noch eine Weile Geduld haben", sagte er, “dann wirst du alles wissen und verstehen."
“Aber träume ich nicht, ist das kein Fiebertraum?"
“Nein, bald wirst du wissen, daß du bis jetzt geträumt hast, nun aber bist du erwacht."
“Dann, bitte, sag mir, wo wir sind und wie wir hierherkamen, ich bin so verwirrt von allem."
“Du bist in einem Land der Überraschungen, aber du brauchst nichts zu fürchten, es wird dir nur Ruhe und Lohn für vergangene Mühe bringen." “Das verwirrt mich nur noch mehr", sagte ich flehend. “Eben erst waren wir in London und ich habe den Jungen unter einem Pferdegespann hervorgeholt. Dann versank alles, und im nächsten Augenblick wachten wir hier wieder auf. Wo sind wir jetzt, wie nennt sich diese Gegend hier?"
“Das Land der Unsterblichkeit", war die Antwort.
Ich prallte zurück, sprachlos vor dieser unerhörten Eröffnung, die dennoch in so ruhiger und überzeugender Weise ausgesprochen wurde. Wir sollten tot sein? Das war doch nicht möglich! Unter all den Theorien, die ich im Laufe der Jahre über das “Jenseits" aufgestellt und wieder verworfen hatte, war niemals eine gewesen, die dem, was ich jetzt erlebte, auch nur entfernt nahekam.
Dennoch, die Sicherheit, mit der mein Gegenüber seine Antwort erteilt hatte, ließ mich schnell die Fassung wieder gewinnen und die Hand ergreifen, die er mir entgegenstreckte. Ich war selber erstaunt über den blinden Glauben, mit dem ich instinktiv die Worte dieses Mannes aufnahm, dessen gütiger Ernst in diesem Augenblick jedes zweifelnde Wort unmöglich machte.
“Nein! Nicht tot!" sagte er. “Könntest du sprechen, könntest du hier stehen, wenn du tot wärest? - - Wenn im Erdenleben ein Mädchen das Haus ihrer Eltern verläßt, um ihrem Ehegatten zu folgen, sagt man dann, sie sei tot? Ganz gewiß nicht! Ebensowenig darfst du nun glauben, daß die Veränderung, die mit dir vorgegangen ist, dich zu einem 'Toten' gemacht hat."
“Aber zumindest habe ich eine Welt verlassen, um in eine andere Eingang zu finden", wandte ich ein. “Wenn ich also auch in dieser Welt lebe, so bin ich doch für die andere tot."
“Diese Unterscheidung wirst du hier nie anzuwenden haben; ebenso wie es auf der Erde verschiedene Lebensbezirke, Nationen und Oberhäupter gibt, gibt es auch in diesem Leben viele Bereiche und Stadien unter der allesumfassenden Herrschaft unseres Vaters — Gott. Tot bist du also nur in dem Sinne, wie der Schüler nach dem Examen die Schule verläßt oder das Mädchen ihr Elternhaus nach der Hochzeit."
“Ich verstehe Euch nicht."
“Laß mich dir ein Gleichnis sagen, über das du nachdenken kannst, bis ein anderer gesandt wird, um dich näher zu unterweisen. Kinder lullt man in den Schlaf, indem man ihnen Kinderlieder vorsingt, deren Gestalten in ihren kleinen Köpfchen feste Formen annehmen, bis sie schließlich von der Wirklichkeit des Lebens zerstört werden. Ebenso geht es den großen Kindern, die in dieses Leben treten. Sie entdecken, daß sie von den irdischen Vorstellungen über das Jenseits in einen spirituellen Schlaf gelullt worden sind. Die Wahrheit, zu der sie erwachen, macht dieses Reich zu einem Land der Überraschungen, wie du noch sehen wirst. Doch nun muß ich dich verlassen und unseren kleinen Schützling zum Heim der Kinder bringen, wo du ihn bald wiedersehen wirst."
Mit einem freundlichen Gruß ließ er mich allein mit meinen Gedanken zurück. Sein Gleichnis deutete vieles an, was nur die Zukunft erhellen konnte. Doch eines schien mir klar: ich hatte den Schritt getan, von dem es kein Zurück gibt, hatte das “große Geheimnis" erlebt, doch — was hatte ich daraus gelernt? Bisher wußte ich nur, daß sich der »Tod" offenbar an mir vollzogen hatte, ohne daß ich es spürte. Was würde nun kommen? Was immer es sein würde, eines wußte ich: daß ich nichts zu fürchten brauchte. Ich war nicht einmal besorgt. Ich war erfüllt von Vertrauen.

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