Hallo Herr Dr. Schacht,
erstmal vielen Dank für Ihre Antwort.
Mir ist klar, dass Sie keine Bewertung des Geschehenen abgeben können, Sie waren schließlich bei der OP nicht dabei. Sie haben insofern Recht, dass ich vor dem Kaiserschnitt einen Aufklärungsbogen unterschrieben habe. (Ich hatte ja auch kaum eine andere Wahl.) Mir ist auch bewußt, dass Blasenverletzungen eine häufige Komplikation beim Kaiserschnitt darstellen. Auf der anderen Seite ist ein 6 oder 7 cm langer Schnitt wohl doch eher ungewöhnlich und man kann sich kaum vorstellen, dass eine so große Öffnung übersehen wird, zumal die Blase laut OP-Bericht mit Blaulösung gefüllt wurde.
Nun sind Ärzte natürlich auch nur Menschen, und wo Menschen sind, werden Fehler gemacht. Aber die Fehler von Ärzten lassen sich in vielen Fällen nicht so einfach korrigieren wie die Fehler anderer Berufstätiger. Ich hoffe, Sie halten mich nicht für rachsüchtig oder geldgierig, weil ich mich an die Gutachterkommission gewandt habe. Ich glaube, wenn die Inkontinenz nicht aufgetreten wäre, hätte ich das nämlich gar nicht getan.
Aber jetzt hoffe ich doch, dass wir als Familie ein bißchen Wiedergutmachung bekommen werden. Denn mit der zweiten OP war es ja nicht getan. Das klingt immer so einfach, aber da hing noch einiges dran: Durch die Verlegung in das zweite Krankenhaus galt ich nicht mehr als Wöchnerin. So musste ich den Tagessatz zahlen, der nach einer Geburt normalerweise wegfällt. Und da das Kind nicht durch das Krankenhaus versorgt wurde, musste auch der Vater dazukommen, und entsprechend die Unterbringung bezahlt werden. Da ist einiges an Kosten zusammengekommen... jetzt kommt durch die Inkontinenz noch mehr dazu, und bisher ist mir fast alle Unterstützung verweigert worden. Das Elektrostimulationsgerät war eine seltene Ausnahme und ein großer Glücksfall für mich.
Soweit der finanzielle Schaden. Der seelische Schaden ist mit Geld gar nicht wieder gut zu machen. Nicht nur, dass ich nach der zweiten OP durch die Schläuche und den Blutverlust komplett bewegungsunfähig war, und danach erst wieder Laufen lernen musste, wochenlang das Kind nicht versorgen konnte, ja nicht einmal richtig heben oder tragen konnte. Ich kann kaum beschreiben, wie man sich fühlt, wenn man sich monatelang auf sein Wunschkind vorbereitet hat, und dann plötzlich nicht mal in der Lage ist, es allein zu halten. Wenn man nicht mal zum Streicheln und Trösten drankommt, wenn es weint. Wenn all das, was man sich für die erste Kennenlernzeit gewünscht und erträumt hat, plötzlich unmöglich wird, weil man körperlich nicht dazu in der Lage ist.
Und es ist ja durch die Reizblase und die Inkontinenz immer noch so, dass ich plötzlich vom Kind weg muss, auch wenn es weint. Immer wieder muss ich Tätigkeiten unterbrechen; ich kann nicht längere Zeit zum Spielplatz (dort ist keine Toilette), wir können ohne Begleitperson nicht in die Stadt (wer passt sonst auf, während ich auf die Toilette gehe?). Der Extremfall war der Moment, als mein Kind sich gerade verletzt hatte und unter Schock stand, und ich es jemand anderem auf den Arm geben und mit überlaufender Blase ins Bad rennen musste. Das war mein absoluter Tiefpunkt, an dem ich mich selbst dafür gehasst habe, keine Kontrolle mehr über die Blase zu haben.
Das als Erklärung, was bei mir im Hintergrund steht. Ginge es nur um mich, hätte ich nur halb so ein großes Problem mit der ganzen Sache. Es tut mir leid, dass es so lang geworden ist, aber ich denke, zum einen bedarf es auch der Erklärung, und zum anderen muss ich mal darüber reden, um die Sache irgendwann verarbeiten zu können.
Aber zurück zum eigentlichen Problem und zu Ihrer Liste. Einen Teil davon kann ich schon beantworten.
Eine Entzündung liegt zum Glück nicht vor, das ist schon überprüft worden.
Der Gyn hat einen Ultraschall gemacht, um die Restharnmenge zu prüfen, und hat festgestellt, dass kein Restharn verbleibt.
In den Wochen nach dem Krankenhausaufenthalt sind mehrere Röntgenuntersuchungen gemacht worden, und zumindest zu diesem Zeitpunkt war alles dicht. Ich bin mir auch sicher, dass das noch so ist - nach über einem Jahr hätte ich sonst stärkere Probleme. Urin im Bauchraum würde sicherlich zu einer Bauchfellentzündung führen, bei einer Vaginalfistel würde ständig Urin tröpfeln - beides ist nicht der Fall. Oder verstehe ich Sie an dieser Stelle falsch?
Anticholinergika sind im Moment für mich keine Option. Das Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie (
http://www.bbges.de
) rät in der Stillzeit davon ab. Ich habe vor, mein Kind selbst den Zeitpunkt des Abstillens bestimmen zu lassen, wie es auch die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt. D.h. es kann noch ein Jahr oder länger dauern, bis ich solche Medikamente einnehmen kann.
Das mag jetzt so manchem seltsam vorkommen, dass ich dem Stillen eine höhere Priorität einräume als den Medikamenten. Aber ich sehe das so: Am Anfang war es die einzige Zeit, die wir zusammen hatten. Inzwischen ist es zwar nicht mehr lebensnotwendig, aber wir beide genießen unsere Still-Momente immer noch sehr. Warum also sollten wir uns das kaputtmachen lassen, nur weil jemand mit einem Skalpell die falsche Stelle erwischt hat?
Wenn ich an einem Punkt wäre, an dem ich mich entscheiden müsste, Abstillen oder irreversibler Schaden für die Blase, würde ich mich natürlich für die gesunde Blase entscheiden. Aber an dem Punkt bin ich nicht, denn soweit ich informiert wurde, wirken die Anticholinergika ohnehin nur unterstützend und sind nicht unbedingt notwendig. Bitte korrigieren Sie mich, wenn ich damit falsch liegen sollte.
Ansonsten werde ich Ihrem Rat folgen und bald einen Urologen aufsuchen. Ich will versuchen, noch im April einen Termin zu bekommen, und dann direkt mit frischem Miktionsprotokoll hingehen. Nach den Prozeduren im Krankenhaus graut mir zwar vor den Untersuchungen, aber da muss ich wohl durch. Spätestens wenn ich Ergebnisse habe, werde ich mich auf jeden Fall wieder hier im Forum melden.
Nochmals besten Dank,
Shaya