Definition Stuhlinkontinenz / Darminkontinenz
Stuhlinkontinenz oder Darminkontinenz ( Synonyme: anale / anorektale / fäkale Inkontinenz / Flatulenz Inkontinenz ) bezeichnet die angeborene oder erworbene Unfähigkeit zur Kontrolle über Darmwinde, Darmschleim oder Stuhl in unterschiedlicher Konsistenz. Die Ursachen einer Stuhlinkontinenz sind unterschiedlich. Der Schweregrad der Stuhlinkontinenz wird in drei Schweregrade unterteilt. Diese unterscheiden sich erheblich und damit auch deren Folgen und Auswirkungen auf die Lebensqualität der Betroffenen.
Wer ist betroffen?
Von Stuhlinkontinenz unterschiedlicher Schwergerade sind in Deutschland nach diversen Erhebungen bis zu 5 % der Einwohner betroffen. Stuhlinkontinenz betriff Menschen aller Altersgruppen und beiderlei Geschlechts. Frauen sind durch anatomische Verhältnisse und Belastungen durch Schwangerschaft und Geburten häufiger als Männer betroffen. Im Alter steigt das Risiko eine Stuhlinkontinenz zu entwickeln bei beiden Geschlechtern.
Schweregrade Stuhlinkontinenz
Grad 1: Unkontrolliertes Entweichen von Darmwinden
Grad 2: Unkontrolliertes Entweichen von Darmwinden und Verlust von dünnflüssigem Stuhl
Grad 3: (Vollständiger) Kontrollverlust über den Abgang von flüssigen oder festen Stuhl und Darmwinden
Was sind die Ursachen für Stuhlinkontinenz?
Die Ursachen der Stuhlinkontinenz sind unterschiedlich. Häufig sind eine unzureichende anale Muskelspannung, Schließmuskelschwäche und Verletzungen bzw. Schädigungen verantwortlich. Auch Operationen, Geburtstraumen, Verletzungen und diverse Erkrankungen können eine Stuhlinkontinenz auslösen. Eingeschränkte oder nachlassende kognitive Ressourcen begünstigen eine Stuhlinkontinenz.
Schließmuskelschwäche / Schließmuskeldefekt
Eine Schließmuskelschwäche bzw. ein Schließmuskeldefekt sind die häufigste Ursache für eine Stuhlinkontinenz.
Dabei sind Frauen überproportional von einer Schwächung des Beckenboden betroffen. Dies beruht auf der Anatomie der Frau und der Fähigkeit Kinder zu gebären. Vaginale Entbindung stellt eine hohe Belastung für den Beckenboden dar, ein Dammriss bzw. Dammschnitt gilt als erhöhtes Risiko.
Probleme mit der Kontinenz können direkt, aber auch Jahre nach Schwangerschaft und der Geburt eines oder mehrerer Kinder entstehen.
Im Alter führen hormonelle Veränderungen und ein Nachlassen der Gewebeelastizität häufig zu einer Schwächung des Beckenbodens (Beckenbodensenkung) und Halteapparates. Organsenkungen, die einen Rektumprolaps (Mastdarmvorfall) nach sich ziehen, können ebenfalls zur Stuhlinkontinenz führen.
Starkes Übergewicht und schweres Heben und Tragen von Lasten (vor allem bei Frauen) sind ein weiteres Risiko.
Stuhlinkontinenz nach Operationen
Das Risiko im Rahmen bzw. nach einer Operation oder invasiven Therapie (Bestrahlung) im Anal-Bereich Probleme mit der Stuhlkontinenz zu entwickeln, besteht immer. Gefürchtet sind Verletzungen und Schädigungen von Nerven und Muskeln.
Ein erhöhtes Risiko besteht bei folgenden Operationen:
- Hämorrhoiden
- Abszess Perianal / Fistel Operationen
- Starr OP
- Darm OP in Folge von Tumoren / Senkungen der Organe
Stuhlinkontinenz in der Folge von Schwangerschaft und Geburten
Stuhlinkontinenz während der Schwangerschaft und nach der Geburt sind nicht selten. In Erhebungen berichten bis zu 20 % der Gebärenden Frauen von Kontinenzproblemen die den Darm betreffen. Traumatischen Folgen durch langwierige Geburten wird ein erhöhtes Risiko unterstellt. Anatomische und hormonelle Veränderungen können beteiligt sein.
Während der Schwangerschaft führt das zunehmende Gewicht des Kindes zu einer starken Beanspruchung und Belastung des Beckenbodens und der Beckenbodenmuskulatur. Ebenso ist ein hohes Geburtsgewicht des Kindes ein Risiko.
Höhergradige Dammrisse stellen ein hohes Risiko für Verletzungen von Schließmuskel und Nerven im Beckenbodenbereich dar.
Wichtig: Nach der Geburt sollte das Angebot einer Rückbildungsgymnastik unbedingt wahrgenommen werden. Dadurch bestehen gute Chancen einer Stuhlinkontinenz zu begegnen bzw. entgegenzuwirken.
Hebammen, Physiotherapeuten und Fachärzte (Proktologin / Proktologe /Gynäkologie) sind die ersten und geeigneten Ansprechpartner.
Stuhlinkontinenz bei Verstopfung (rektale Koprostase und Obstipation)
Es klingt zunächst paradox, dass eine Verstopfung für eine Stuhlinkontinenz und Stuhlverlust verantwortlich sein kann. Bei Darmentleerungsstörungen verweilt der Stuhl im Dickdarm und / oder in der Rektum Ampulle (letzter Darmabschnitt) zu lange. Der Transport ist gestört. Dadurch wird dem Stuhl Flüssigkeit entzogen, was den Kot eindickt. Kotsteine können entstehen. Dies kann zu Passage Hindernissen führen. Oberhalb dieser Passage Hindernisse verflüssigt der Körper den Stuhl (sekretorische Prozesse), um ihn auszuscheiden. Der dünnflüssige Stuhl passiert dann die bestehende Blockade.
Wässrigen Stuhl zu halten ist selbst für einen Menschen mit gesunder Kontinenz schon eine Herausforderung. Bei Menschen mit Schwäche oder Schädigung der Kontinenz Organe ist dies meist unmöglich.
Auch eine Überdehnung durch Stuhlverhalt im Rektum kann sich negativ auswirken.
Stuhlinkontinenz in Folge von Krankheiten
Neurogene Erkrankungen bergen generell ein erhöhtes Risiko und einer der Hauptursachen für eine Stuhlinkontinenz. Werden die Signale zwischen Gehirn und Darm nicht mehr bzw. nicht mehr vollständig verarbeitet ist eine Darminkontinenz oder Darmentleerungsstörung wahrscheinlich.
Zu den häufigsten Erkrankungen zählen Erkrankungen mit Beteiligung des Gehirns, beispielsweise Alzheimer, Parkinson, Multiple Sklerose oder Gehirntumore.
Rückenmarksverletzungen, wie sie bei Querschnittlähmungen oder Spina bifida entstehen, führen fast immer zu Beeinträchtigungen der Kontinenz.
Stuhlinkontinenz bei chronisch entzündliche Darmerkrankungen
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa), können eine Veränderung der Rektumwand nach sich ziehen. Dies kann zum Verlust der Speicherfunktion führen.
Stuhlinkontinenz nach Unfällen
Sogenannte Pfählungsverletzungen sind zwar bei den Ursachen selten, verursachen aber mitunter schwere Schädigungen.
Verletzungen, welche die Nervenbahnen und die Nervenversorgungen betreffen, bergen immer die Gefahr einer Stuhlinkontinenz in deren Folge. Gleiches gilt für Schädigungen oder Verletzungen mit Gehirnbeteiligung.
Einige Sexualpraktiken (Fisting (Faustverkehr) / Analplug) bergen ein höheres Risiko für Verletzungen und Schädigungen.
Stuhlinkontinenz durch Medikamente
Nicht wenige Medikamente können die Entstehung einer Stuhlinkontinenz fördern. Zu den wichtigsten Medikamenten zählen Mittel aus der Gruppe der Abführmittel und Antidepressiva. Medikamente mit Einfluss auf das ZNS (Zentrales Nervensystem), können Stuhlinkontinenz begünstigen und hervorbringen.
Kindliche Form der Stuhlinkontinenz – Enkopresis
Unter Enkopresis versteht man das willentliche (willkürliche) oder unwillkürliche Einkoten von Kindern über 4 Jahren. Allerdings leidet nicht jedes Kind über dem 4. Lebensjahr an einer Enkopresis wenn es zum Einkoten kommt. Angeborene Fehlbildungen und Störungen können neben einer Reifeverzögerung ebenfalls beteiligt sein. Jungen sind deutlich häufiger als Mädchen von Enkopresis betroffen.
Die Ursachen sind noch nicht vollständig geklärt. Man geht aber davon aus, dass psychische und somatische Faktoren interagieren
Diagnostik der Stuhlinkontinenz
Die Diagnostik der Stuhlinkontinenz ist abhängig von der Ursache. Allen Ursachen voran, sollte aber immer eine gründliche Anamnese (Befragung durch den Arzt) vorausgehen.
Der Arzt oder die Ärztin wird Fragen zu dem Beginn der Beschwerden, Stuhlganghäufigkeit, Stuhlbeschaffenheit und Art und Umstand des ungewollten Stuhlverlustes stellen.
Wichtig ist auch zu klären, ob vorausgegangene Behandlungen und Operationen oder chronische Erkrankungen stattgefunden haben bzw. vorliegen.
Bei Frauen sind Fragen zu Art und Umstand von Geburten wichtig.
Sollen oder müssen weitere Ursachen geklärt oder ausgeschlossen werden, kann es zur erweitereten Diagnostik kommen.
Dazu können zählen:
- die Spiegelung des Mastdarmes (Koloskopie) und des Afterkanals (Rektoskopie und Proktoskopie)
- anale Endosonographie (Ultraschall um ein Abbild der Schließmuskeln zu erhalten)
- Neurophysiologische Untersuchungen
- Röntgenuntersuchung mit Kontrastmittel
- Druckmessung im Mastdarm (Rektum-Manometrie)
- Beckenboden-MRT
Therapiemöglichkeiten der Stuhlinkontinenz
Bei jeder Form der Stuhlinkontinenz sollten zunächst die für Sie geeigneten konservativen Therapiemöglichkeiten, evtl. auch in Kombination, angewendet werden, bevor eines der operativen Verfahren ausgewählt wird.
Konservative, nicht operative Therapieformen
Stuhlregulation / Ernährungsanpassung bzw. Ernährungsumstellung
Die Ernährung hat entscheidenden Einfluss auf die Form des Stuhl. Eine Ballaststoffreiche Ernährung und ausreichende Flüssigkeitsaufnahme können bereits deutliche Verbesserungen bringen. Alkohol und Kaffee sollten ebenso wie blähende Speisen reduziert oder ganz weggelassen werden.
Sorgen Sie für einen regelmäßigen Stuhlgang, ohne großen Druck aufbauen zu müssen. Vermeiden Sie starkes drücken und pressen. Nicht jeder Versuch muss erfolgreich abgeschlossen werden.
Beckenbodengymnastik/ Biofeedback
Rückbildungsgymnastik und Beckenbodentraining sind das A und O für einen starken und kräftigen Beckenboden. Vor allem Frauen profitieren durch ihr höheres Risiko für eine Beckenbodenschwäche davon.
Biofeedback Training kann positiven Einfluss auf das bewußte Anspannen und Entspannen des Beckenboden haben.
Durch Anal-Sonden oder Klebepads erhalten sie unmittelbare Rückmeldung über die Spannung des Beckenbodens. Eine Kombination mit Beckenbodentraining zeigte in Studien gute Ergebnisse.
Elektrostimulation
Zur gesteigerten und verbesserten Wahrnehmen von Beckenboden und Sphinktertonus eignet sich die Elektrostimulation. Zudem weißen Studien auf eine Stärkung des Beckenbodens hin.
Die perkutanen Tibiliasnerv-Stimulation (pTNS) ist ein relativ neues Verfahren. Dabei werden Beckenbodennerven mittels ultrafeiner Akupunkturnadeln stimuliert.
Toilettentraining
Sorgen Sie für regelmäßige Toilettengänge. Stuhlgang zu festen Zeiten kann den Darm an eine regelmäßige Entleerung gewöhnen.
Motivieren Sie pflegebedürftige Menschen zum regelmäßigen Toilettengang. Denken Sie aber auch selbst an ihren eigenen Toilettengang!
In westlichen Ländern ist die Sitzposition auf der Toiletten nicht ideal. Deutlich besser wäre eine Hockhaltung. Nun hat nicht jeder die Möglichkeit eines aufwändigen Umbaus seines Badezimmers. Sie können sich aber mit einfachen Mitteln selbst helfen. Mittels eines kleinen Hocker, auif dem Sie ihre Füße stellen und Vorbeugen können Sie auch Ihr Geschäft auf normalen Toiletten vollständig im Sinn und Prinzip der Hocktoiletten durchführen.
Medikamente / Nahrungsergänzungsmittel
Laxanzien oder Peristaltikhemmer können die Stuhlentleerungen regulieren, herbeiführen oder verhindern. Alternativ können Füllstoffe den Darm regulieren. Bei wässrigen oder dünnen Stuhl helfen die Flohsamen-Schalen, den Stuhl zu festigen. Sie binden überschüssiges Wasser im Darm und formen den Stuhlgang.
Einläufe
Die bekannteste, allerdings keine besonders effektive Art des Einlaufs, ist der Einlauf mittels Birnenklistier. Durch die geringe Einbringung von Wasser wird nur der unterste Teil des Enddarms gespült. Ziel dieser Maßnahme ist das Aufweichen des Stuhls und das Auslösen des Entleerungsreflex.
Klysma / Klistier
Effektiver sind Fertiglösungen, die man in Apotheken erwerben kann. Diese sind bereits gebrauchsfertig. Diese enthalten bestimmte Zusätze.
Anale Irrigationssysteme / transanale Irrigation
Die anale Irrigation ist eine sehr effektive Möglichkeit der gezielten Darmentleerung. Durch das gezielte und regelmäßige Einbringen von Wasser kann eine Kontinenz von 24 Stunden und mehr erreicht werden.
Die anale Irrigation eignet sich besonders im Rahmen eines Darmmanagement. Betroffene die an Stuhlinkontinenz, Obstipation (Verstopfung), Stuhltransportstörungen oder langen Stuhlentleerungszeiten leiden profitieren hierbei besonders.
Die Anwendung darf nur nach ärztlicher Abklärung erfolgen, weil im Vorfeld Kontraindikationen ausgeschlossen werden müssen. Darunter zählen beispielsweise entzündliche Prozesse im Darm. Zudem sollte eine fachkundige Einweisung erfolgen. Irrigationssysteme sind verordnungsfähig.
Analtampon
Der Analtampon dient als Barriere für festen Stuhl und ermöglicht somit eine Kontinenz.
Operative Therapiemöglichkeiten
Ihr Arzt wird Ihnen die unterschiedlichen operativen Behandlungsmöglichkeiten vorstellen.
Zu den möglichen Optionen gehören:
- Teilentfernung des ausgestülpten Darms (Rektumprolaps)
- Rekonstruktion des analen Schließmuskels bei Schädigung (Sphinkterrekonstruktion)
- Beckenbodennetz
- Darmschrittmacher (Sakrale Neuromodulation)
- Unterspritzung/ Bulking Agents
- Schlinge (Puborektalschlinge)
- künstlicher analer Schließmuskel (Sphinkter)
- Muskelverlagerung zur Schließmuskelwiederherstellung (Dynamische Gracilisplastik)
- Künstlicher Darmausgang (Stoma - Kolostomie)
Quellen:
Leitlinie: Neurogene Darmfunktionsstörung bei Querschnittlähmung | Registrierungsnummer: 179-004, Entwicklungsstufe: S2k | Federführende Fachgesellschaft(en): Deutschsprachige Medizinische Gesellschaft für Paraplegiologie
Hilfsmittel bei Stuhlinkontinenz
www.inkontinenz-selbsthilfe.com/hilfsmittel-bei-stuhlinkontinenz-uebersicht