Da die Belastungsinkontinenz durch die Schwächung der Muskulatur des Beckenbodens hervorgerufen wird, zielen die konservativen Behandlungsansätze auf deren Stärkung. Es gibt eine ganze Reihe von Möglichkeiten:
Beckenbodentraining
Diese Therapieform ist für Betroffene jeden Alters und Geschlechts geeignet. Ziel der gymnastischen Übungen ist es, den gesamten Muskelapparat des Beckenbodens zu kräftigen und so den Blasenschliessmuskel wieder zu stärken. Beckenbodenübungen erfordern Geduld und Ausdauer. Dennoch lohnt sich die Mühe, regelmäßig diese einfachen Übungen durchzuführen.
Vor allem nach Operationen im kleinen Becken, im Bereich der Schließmuskeln oder nach einer Geburt liegen hier Abschwächungen der Verschlußkraft vor. Vielen Menschen ist bis zu diesem Zeitpunkt gar nicht bewußt, dass diese Muskelgruppen willkürlich angespannt werden können. Die einzelnen Übungen müssen abhängig von Alter und Beweglichkeit des Betroffenen, mit Hilfe eines ausgebildeten Krankengymnasten oder Pysiotherapheuten, erlernt werden.
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Biofeedbacktraining
Das Biofeedbacktraining ist ein einfaches Verfahren, um die Kontraktion des Beckenbodens optisch und akustisch sichtbar zu machen. Somit erhält man eine Kontrolle darüber, ob auch wirklich die richtige Muskelgruppe trainiert wird. Diese Therapieform setzt wie das Beckenbodentraining selbst ein konsequentes Training voraus. Ist die Kooperation durch den Betroffenen nicht oder nur unzureichend gegeben, sind die Erfolgsaussichten nicht gut.
Um das Biofeedbacktraining erfolgreich durchführen zu können, muß der Betroffene eine genaue fachliche Anleitung erhalten. Nach Einweisung durch den Arzt erhält der Betroffene ein Heimgerät, damit er das Training selbsttätig zuhause durchführen kann.
Hierbei sind regelmäßige Kontrollen durch den Arzt, für den Erfolg, unerlässlich. Zur Durchführung wird eine Sonde, welche über ein Kabel mit dem Meßgerät verbunden ist, entweder in die Scheide oder den After eingeführt. Der Betroffene spannt nun den Beckenboden an, dabei entstehen in den Muskeln kleine elektrische Impulse, die im Gerät verstärkt werden. Diese Impulse werden im Gerät mit den vorgegebenen Werten verglichen und bei Erreichen des eingestellten Wertes zur Anzeige gebracht.
Es gibt unterschiedliche Anzeigearten wie zum Beispiel eine LED-Linienanzeige, bei der mit zunehmender Muskelanspannung immer mehr LED's leuchten. Die akustische Variante der Geräte erzeugt einen Signalton bei Erreichen einer bestimmten Musklenkontraktion. Der Vorteil der Geräte liegt darin begründet, daß der Betroffene eine optische oder akustische Anzeige seines Trainings erhält und somit auch leichter zum Training zu motivieren ist, da er ja direkt seinen Erfolg sehen und hören kann. Einfachere Geräte arbeiten voll mechanisch nur über den Luftdruck gesteuert, dabei wird die eingeführte Sonde etwas mit Luft aufgepumpt. Wenn der Betroffene nun seinen Beckenboden bzw. den Schließmuskel anspannt, dann steigt der Luftdruck in der Sonde an, dies wird über einen Schlauch am Manometer (Zeigerinstrument) angezeigt.
Elektrostimulation
Bei der Elektrostimulation wird der Schließmuskel nicht wie beim Biofeedback aktiv vom Betroffenen angespannt, sondern ohne Zutun des Betroffenen durch elektrische Stromimpulse ausgelöst. Die zugehörigen Elektroden werden mit einer Sonde in die Scheide oder in den After eingeführt.
Der Wirkmechanismus der Elektrostimulation bei der Behandlung von Inkontinenz ist noch nicht eindeutig geklärt. Es wird angenommen, daß durch den direkten Einfluß auf Nerven eine Kontraktion der Beckenbodenmuskulatur hervorgerufen wird. Diese sogenannte automatische Beckenbodengymnastik führt zu einer Zunahme der Muskulatur, einer Steigerung des Muskeltonus und zu einer Verbesserung der Kontraktionsfähigkeit des Beckenbodens.
Es wird angenommen, daß die Elektrostimulation eine Normalisierung des Reflexmusters des Schließmuskels (Sphinkter) bewirkt. Daher kann die Elektrostimulation bei Belastungsinkontinenz und motorischer Dranginkontinenz eingesetzt werden. Die positive Wirkung bei Belastungsinkontinenz wird erklärt durch die Verbesserung der Verschlussfunktion des Beckenbodens, durch die Aktivitätszunahme der Haltemuskulatur und deren Stärkung.
Die Elektrostimulation mit Hilfe einer Vaginal- oder Rektalsonde ist vergleichsweise einfach und kann daher leicht im häuslichen Bereich durchgeführt werden. Die Anwendung der Elektrostimulation ist ähnlich wie beim Biofeedbacktraining. Zur Durchführung wird eine Vaginalsonde, die über ein Kabel mit dem Impulsgeber verbunden ist, vollständig in die Scheide oder eine Rektalsonde in den After eingeführt. Der Betroffene braucht selbst nichts zu tun, denn durch die Stromimpulse werden die Beckenbodenmuskeln automatisch angespannt. Eine Behandlungsequenz liegt bei etwa 30 Minuten ein- bis zweimal täglich. Die genauen Parameter legt der Arzt fest. Bei regelmäßiger Anwendung 2x30 Minuten pro Tag werden nach etwa 6 Monaten häufig Erfolgsraten von fast 90% erzielt. Um eine dauerhafte Besserung zu erzielen, sollte die Stimulation auch nach Beendigung der Behandlung fortgesetzt werden.
Pessare
Pessare sind ein recht neues Produkt zur Inkontinenzbehandlung und nur für Frauen geeignet. Das Pessar wird mit Gleitmittel in die Scheide eingeführt. Durch Ziehen wird der Spreizmechanismus aktiviert. Der daraus resultierende Druck führt zu einer Hebung des Harnleiters und des Blasenwinkels und damit zu Kontinenz. Das Produkt wird nach dem Entfernen gereinigt und ist wiederverwendbar. Es stehen unterschiedliche Typen von Pessaren wie etwa das Würfelpessar, das Schalen- und Ringpessar, das Pelottenpessar oder das Schaumstoffpessar zur Verfügung.
Scheidengewichte
Bei den Scheidengewichten handelt es sich um kleine, tamponförmige, unterschiedlich schwere Gewichte, die in die Scheide eingeführt werden. Sie werden auch Feminakonen genannt. Nach einem exaktem Zeitschema lernen die betroffenen Frauen, diese Gewichte durch die Anspannung der Beckenbodenmuskulatur zurückzuhalten. Im Verlauf des Trainings werden immer schwerere Gewichte benutzt. Erste Trainingserfolge zeigen sich schon nach 3-4 Wochen bei jungen Frauen bzw. nach 6-8 Wochen bei älteren Frauen. Dazu reicht es, wenn zweimal täglich für je 15 Minuten das Training durchgeführt wird, zum Beispiel bei der Morgen- und Abendtoilette. Wird der Konus in die Scheide eingeführt, so neigt er dazu, wieder herauszugleiten. Dieses Gefühl des "Verlierens" lässt die Beckenbodenmuskulatur reflexartig zusammenziehen. Dadurch wird es möglich, dass die sonst nur schwer wahrnehmbare Muskulatur des Beckenbodens gezielt trainiert werden kann (Biofeedback).
Die Anwendung dieser Technik ist denkbar einfach. Der Konus mit dem geringsten Gewicht wird tief in die Scheide eingeführt und soll mindestens 1 Minute ohne Anstrengung gehalten werden können. Gelingt diese Übung, wird die gleiche Prozedur mit dem nächstschwereren Konus wiederholt. Der Konus, der gerade noch gehalten werden kann, gibt Aufschluss über Funktionszustand und Kraft der Beckenbodenmuskulatur.
Die Übungen werden mit dem vorhergehenden Konus, der ohne Anstrengung für 1 Minute gehalten werden konnte, begonnen. Im Stehen und Herumgehen sollte mehrmals täglich trainiert werden, den Konus auch unter Belastung wie Husten, Niesen, Lachen und kleinen gymnastischen Übungen für 15 Minuten zu halten. In den ersten Tagen wird das Trainingsziel noch nicht erreicht werden. Der Konus muß deshalb immer wieder neu plaziert werden. Gelingt es, den Konus mehrfach für mindestens 15 Minuten zu halten, wird mit dem nächstschwereren Konus die Übung in der gleichen Weise fortgesetzt.
Das Training wird solange fortgeführt, bis kein unfreiwilliger Harnverlust mehr auftritt, bzw. eine deutliche Besserung eingetreten ist. Dies sollte bei täglichem Training von 2 x 15 Minuten nach 6 - 12 Wochen erreicht sein. Die Dauer hängt vom Zustand der Beckenbodenmuskulatur, der Intensität des Trainings, der Schwere der Inkontinenz und des Alters ab. Die Vaginalkonen sind nach Gebrauch leicht abwaschbar. Sie unterliegen keiner Abnutzung und können stets wiederverwendet werden. Die Scheidengewichte stellen eine gute Alternative oder Ergänzung zu anderen Behandlungsformen bei Belastungsinkontinenz dar.