Cannabis als Medizin?
ALLENSBACH (dpa). Drei von vier Deutschen sind dafür, Schwerkranken eine medizinische Behandlung mit Haschisch und Marihuana zu erlauben. Das hat eine repräsentative Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM) ergeben. 77 Prozent der 1438 Befragten sprachen sich für eine Legalisierung der natürlichen Cannabisprodukte aus. Voraussetzung: Der Arzt befürwortet die Therapie und die Krankenkassen erstatten die Behandlung mit dem synthetisch gewonnenen Cannabiswirkstoff Dronabinol (THC) nicht.
Ärzte Zeitung, 21.06.2006
Cannaboide in der Medizin
Kaum eine Heilpflanze war in der Medizingeschichte so verbreitet wie Cannabis. Welchen Stellenwert das Phytotherapeutikum in der Schulmedizin haben wird, ist allerdings fraglich. Den gegenwärtigen Stand der Diskussion stellt ein Team
aus 14 Schmerztherapeuten, Palliativ- und Rechtsmedizinern sowie Neurologen in
einem neuen Buch vor.
Sie erläutern die Pharmakologie der Cannabinoide sowie verschiedene Indikationen und geben in seperaten Kapiteln Beispiele für Anwendungen. Zu den möglichen Indikationen gehören Übelkeit und Erbrechen, Kachexie, Spastik, Schmerzen und das Tourette-Syndrom.
In weiteren Beiträgen geht es um Auswirkungen der Substanzen auf Kognition und Fahrsicherheit, um unerwünschte Effekte sowie um rechtliche Aspekte der Therapie.
Mit diesen Informationen können Kollegen den Stellenwert von Cannabinoiden in
der Therapie kritisch einschätzen und die Anwendung im Einzelfall planen. (ner)
Radbruch, Lukas; Nauck, Friedemann (Hrsg.): Cannabinoide in der Medizin, Uni-Med Verlag 2006, 109 Seiten, 44,80 Euro, ISBN 3-89599-773-0
Ärzte Zeitung, 13.10.2005
Hautzellen verstärken Analgesie durch Cannabis
Aktivierte Rezeptoren auf Keratinozyten der Haut fördern die Freisetzung von körpereigenen Opioiden
TUCSON (ars). Cannabis wirkt unter anderem dadurch schmerzlindernd, daß es Rezeptoren in der Haut aktiviert, die schließlich körpereigene Opioide freisetzen. Dieses Ergebnis US-amerikanischer Wissenschaftler bietet eine Ausgangsbasis zur Entwicklung topisch anwendbarer Analgetika in der Medizin.
Der Hauptbestandteil von Cannabis, das Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC), bindet an zwei unterschiedliche Cannabinoid-Rezeptoren mit den Bezeichnungen CB1 und CB2.
CB1 kommt vor allem im zentralen Nervensystem vor und vermittelt unterschiedliche Effekte von THC. Sein Gegenstück, der zum peripheren Nervensystem gehörige CB2-Rezeptor, mildert bei Versuchstieren den akuten und chronischen Schmerz. Allerdings war bisher unbekannt, wie diese Wirkung zustande kommt.
Nun haben Dr. Mohab Ibrahim und seine Kollegen von der Universität Arizona in Tucson herausgefunden, daß die CB2-Rezeptoren sich auf Keratinozyten der Haut befinden.
Heftet sich ein passender Wirkstoff an, werden sie aktiviert und bewirken die Ausschüttung des körpereigenen Opioids Beta-Endorphin (PNAS 102, 2005, 3093). Dieses Peptid wiederum bindet an Opioidrezeptoren auf sensorischen Nerven. Die lindert schließlich die Schmerzen.
Für ihre Experimente richteten die Forscher einen starken Lichtstrahl auf die Fußsohle von Mäusen. Sobald die Tiere die Hitze spürten, zogen die sie die Pfote weg. Bekamen sie einen Wirkstoff, der den CB2-Rezeptor aktivierte, dauerte es bis zu dieser Reaktion deutlich länger, die Tiere hielten Schmerzen länger aus.
Wegen des reichlichen Vorkommens von CB2-Rezeptoren liegt es nahe, eine Bedeutung bei der natürlichen Regulation der Schmerzempfindlichkeit zu vermuten. Daran könnten zum Beispiel infiltrierende Immunzellen beteiligt sein, denn sie stellen nach entzündlichen Verletzungen das körpereigene Cannabinoid Anadamid her.
Die Entdeckung zur Wechselwirkung von Opioiden und Cannabinoiden hat klinische Relevanz. Bei beiden Substanzklassen löst die effektive Dosis unerwünschte Wirkungen aus, die ihren Gebrauch einschränken: Sedierung, Euphorie oder Dysphorie. Opioide können außerdem eine manchmal lebensbedrohliche Atemdepression hervorrufen.
Diese Risiken lassen sich durch eine gemeinsame Applikation beider Mittel vermindern, weil man dann ihre Menge verringern kann, ohne den analgetischen Effekt zu beeinträchtigen. Insgesamt bietet die Schmerzlinderung über das periphere Nervensystem vielversprechende Möglichkeiten für neue nicht-invasive, topisch anwendbare Medikamente ohne psychotrope Wirkungen.
Ärzte Zeitung, 08.02.2005
Cannabis aus der Apotheke für Schwerkranke
BARCELONA (dpa). In der nordostspanischen Metropole Barcelona können bestimmte Patienten Cannabis künftig legal in der Apotheke erwerben.
Dies sieht ein Pilotvorhaben vor, auf das sich die Behörden der Region Katalonien
mit dem Madrider Gesundheitsministerium verständigt haben.
Das Experiment ist für Patienten mit besonders schweren Erkrankungen wie Aids, Krebs oder Multipler Sklerose.
Sie sollen die Droge Cannabis, aus der Marihuana oder Haschisch gewonnen wird,
in der Form von Kapseln in 60 Apotheken und vier Krankenhäusern erhalten können.
Für den Erwerb der Droge sollen die Patienten besondere Ausweise erhalten.
Das Pilotprojekt ist auf ein Jahr beschränkt. Strittig ist noch, wie viele Patienten teilnehmen dürfen. In den Niederlanden hatte ein ähnliches Experiment nicht die erhofften Resultate gebracht. Der Verkauf von Cannabis in den Apotheken blieb weit hinter
den Erwartungen zurück.
Ärzte Zeitung, 01.02.2005
Crohn-Patienten testen Cannabis in einer Studie
MÜNCHEN (eb). Am Klinikum der Universität München am Standort Großhadern wird jetzt in einer gerade gestarteten Studie die Wirksamkeit eines Cannabis-Präparates bei Morbus Crohn geprüft.
Es werden noch Patienten mit einem mittelschweren Schub bei chronisch rezidivierendem Morbus Crohn in die Studie aufgenommen.
Das Präparat wird geprüft, weil Betroffene, die eigenmächtig Cannabis konsumieren, über eine Linderung der Beschwerden berichten. Außerdem gibt es ermutigende Ergebnisse aus tierexperimentellen Studien.
Weitere Informationen bei: Dr. Martin Storr, Dr. Thomas Ochsenkühn,
Telefon 0 89 / 70 95 - 0
Ärzte Zeitung, 23.01.2005
Cannabinoide werden jetzt bei Schmerzen geprüft
Erste Hinweise auf analgetische Wirkung von THC bei neuropathischen Schmerzen / Guter antiemetischer Effekt
LEIPZIG (mar). Bei starken Schmerzen wird auch über die analgetische Wirkung von Cannabinoiden diskutiert. Welchen Stellenwert diese Substanzen, etwa das Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC, Dronabinol), in der Schmerztherapie haben könnten, ist zur Zeit aber noch unklar.
Im Tiermodell seien zwar analgetische und entzündungshemmende Effekte von Cannabinoiden nachgewiesen worden, so Professor Hans G. Kress von der Medizinischen Universität Wien beim Deutschen Schmerzkongreß in Leipzig. Ergebnisse klinischer Studien nach modernem Studiendesign gebe es jedoch bislang nicht.
Eine Metaanalyse von fünf klinischen Studien aus den 70er Jahren zur schmerzlindernden Wirkung von Cannabinoiden bei insgesamt 128 Tumorpatienten lasse keine Rückschlüsse auf die Effizienz der Therapie zu, da die Studien aus heutiger Sicht methodische Mängel aufweisen, so Kress.
Aus neuen klinischen Studien ergeben sich Hinweise auf die schmerzlindernde Wirkung von Cannabinoiden bei neuropathischen Schmerzen. So sollen demnächst die Ergebnisse einer kleinen kontrollierten Studie mit Cross-over-Design, in der Dronabinol bei Patienten mit Armplexus-Wurzelausriß verwendet wurde, veröffentlicht werden. Die neuropathischen Schmerzen seien durch die Therapie mit Dronabinol in dieser Studie signifikant reduziert und der Nachtschlaf sei signifikant gebessert worden.
Da Tumorschmerzen häufig auch neuropathische Komponenten haben, könnte die Substanz auch bei solchen Schmerzen wirksam sein und als Ko-Analgetikum zu einer Opioidtherapie angewandt werden, sagte Kress. Entsprechende Studien stünden allerdings noch aus.
Durch klinische Studien gesichert sei dagegen ein antiemetischer Effekt von THC, das in den USA zur Therapie bei Übelkeit und Erbrechen bei Tumorpatienten mit Chemotherapie und auch zur Kachexiebehandlung von HIV-Infizierten zugelassen ist. Eine Metaanalyse von 30 Studien habe ergeben, daß Cannabinoide besser antiemetisch wirkten als Metoclopramid.
Allerdings lägen noch keine Vergleichsdaten zu den in der Onkologie angewandten modernen Antiemetika, den 5-HT 3-Antagonisten, vor, sagte Kress. Auch fehlten Vergleichsdaten zur Wirksamkeit von Cannabinoiden bei Patienten mit hochemetogenen Chemotherapie-Regimen.
Dronabinol ist in Deutschland als Rezepturarzneimittel aus der Apotheke erhältlich.
Ärzte Zeitung, 15.01.2005