Hallo und herzlich willkommen im Forum!
Erst einmal Respekt, wie offen und ausführlich du deine Geschichte schilderst. Auch wenn ich kein Mediziner bin, kann ich dir als Betroffener und Laie ein paar Gedanken und Erfahrungen teilen – vielleicht hilft dir das weiter oder gibt dir neue Anregungen.
Zu deiner Situation:
Du hast ja schon wirklich viel ausprobiert und bist auch sehr gut informiert. Dass die nächtliche Inkontinenz nach dem ISK-Versuch aufgetreten ist, ist sicherlich belastend, vor allem, weil es vorher trotz Restharn kein Problem war. Die vielen Harnwegsinfekte und die lange Antibiotikatherapie sind natürlich auch zermürbend – das kann ich gut nachvollziehen.
Was den Selbstkatheterismus (ISK) betrifft:
Es gibt zwar Berichte über Blutungen oder Verletzungen während der Anwendung, was im Einzelfall zu Problemen führen kann, aber grundsätzlich ist der ISK bei richtiger Anwendung eine anerkannte Methode zur Blasenentleerung. Stärkere Blutungen dürften gar nicht vorkommen. Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem ISK und einer verstärkten Inkontinenz ist meines Wissens nach nicht belegt. Falls es doch zu Problemen kommt, liegt das oft eher an Anwendungsfehlern oder individuellen Besonderheiten als am ISK selbst.
Wenn man sich nicht durch eine falsche Anwendung selbst die Harnröhre verletzt oder beschädigt hat, sehe ich da keinen direkten Zusammenhang.
Auch wenn man keine Beschwerden hat, können dauerhaft hohe Restharnmengen von bis zu 350 ml schädlich für die Blase und die ableitenden Harnwege sein. Du schreibst von Jahrzehnten. Der Grund ist, dass der Urin, der nach dem Wasserlassen in der Blase zurückbleibt, ein „stehendes Gewässer“ bildet.
Das kann verschiedene Probleme verursachen:
- Erhöhtes Infektionsrisiko: Restharn ist ein idealer Nährboden für Bakterien. Wenn der Urin nicht regelmäßig komplett entleert wird, können sich Keime leichter vermehren und es kommt häufiger zu Harnwegsinfekten.
- Blasenschädigung: Die Blasenwand ist eigentlich dafür gemacht, sich regelmäßig zu dehnen und wieder zusammenzuziehen. Wenn ständig viel Urin in der Blase bleibt, wird die Blasenwand dauerhaft überdehnt. Das kann dazu führen, dass die Blasenmuskulatur schwächer wird und die Blase ihre Funktion mit der Zeit verliert.
- Schäden an den Nieren: Wenn der Druck in der Blase durch den Restharn zu hoch wird, kann der Urin bis in die Nieren zurückgestaut werden. Das kann auf Dauer die Nieren schädigen und im schlimmsten Fall zu einer Nierenschwäche führen.
- Blasensteine: Stehender Urin begünstigt auch die Bildung von Blasensteinen, weil sich darin Mineralien ablagern können.
Andere Behandlungserfahrungen (aus Laienperspektive):
- Medikamentöse Ansätze: Manche Betroffene berichten, dass Medikamente wie Anticholinergika (z.B. Oxybutynin, Tolterodin) oder Mirabegron helfen können, den nächtlichen Harndrang und die Blasenaktivität zu reduzieren. Allerdings haben diese Medikamente auch Nebenwirkungen und sind nicht für jeden geeignet, gerade bei Restharn muss man da vorsichtig sein. Vielleicht hast du das schon probiert oder mit deinem Urologen besprochen?
- Botox-Injektionen in die Blase: Einige mit neurogener Blase lassen sich Botox in die Blasenwand spritzen. Das kann die Überaktivität der Blase dämpfen und den Harndrang verringern. Allerdings kann es sein, dass der Restharn dadurch steigt und man ggf. wieder katheterisieren müsste – das ist also eine Abwägungssache.
- Beckenbodentraining / Physiotherapie: Auch wenn es bei neurogenen Problemen oft schwierig ist, berichten manche, dass gezieltes Beckenbodentraining (am besten mit erfahrenen Therapeuten, die sich mit neurologischen Störungen auskennen) zumindest eine gewisse Verbesserung bringen kann. Es gibt auch spezielle Programme für Männer.
- Hilfsmittel: Neben Vorlagen gibt es auch spezielle Inkontinenzslips oder Urinalkondome. Manche Männer kommen mit Penisklemmen nachts zurecht, das ist aber gewöhnungsbedürftig und nicht für jeden geeignet.
- Trinkmengen steuern: Viele versuchen, abends weniger zu trinken oder die Flüssigkeitszufuhr auf den Tag zu verlagern, damit nachts weniger Urin anfällt. Das hilft nicht immer, aber manchmal kann es die Menge zumindest reduzieren.
- Schlafmanagement: Manche stellen sich nachts einen Wecker, um noch mal bewusst zur Toilette zu gehen, bevor es „passiert“. Das ist zwar nicht angenehm, aber manchmal hilfreich, um die Inkontinenz zu kontrollieren.
- Psychische Belastung: Dass die Situation auf die Psyche schlägt, ist absolut verständlich. Umgekehrt kann Stress, Angst oder depressive Verstimmung die Blase zusätzlich „aus dem Takt“ bringen. Vielleicht hilft dir auch professionelle Unterstützung (Psychotherapie), damit die Belastung nicht zu groß wird.
Noch ein wichtiger Punkt zur Antibiotikatherapie:
Eine
langfristige oder häufige Anwendung von Antibiotika kann leider auch unerwünschte Folgen haben. Dazu gehören zum Beispiel:
- Resistenzen: Bakterien können gegen das eingesetzte Antibiotikum unempfindlich werden, sodass das Medikament bei späteren Infektionen nicht mehr wirkt.
- Störung der Darmflora: Antibiotika töten nicht nur schädliche, sondern auch nützliche Bakterien im Darm ab. Das kann zu Verdauungsproblemen, Durchfall oder Pilzinfektionen führen.
- Nebenwirkungen: Je nach Präparat sind Nebenwirkungen wie Allergien, Hautausschläge oder andere Unverträglichkeiten möglich.
Ein direkter Zusammenhang zwischen Antibiotika und einer Verschlechterung der Inkontinenz ist mir nicht bekannt. Allerdings kann eine gestörte Blasen, Harnröhren- oder Darmflora das Risiko für erneute Harnwegsinfekte erhöhen, was wiederum die Blase belasten kann.
Alternativen zur Antibiotikaprophylaxe:
Es gibt einige Maßnahmen und Mittel, die
vorbeugend gegen Harnwegsinfekte eingesetzt werden können, ohne die Nebenwirkungen von Antibiotika:
- D-Mannose: Ein natürlicher Zucker, der verhindert, dass Bakterien (vor allem E. coli) an der Blasenwand haften bleiben. Viele Betroffene berichten von positiven Erfahrungen.
- Impfstoffe: Es gibt spezielle Impfstoffe zur Stärkung der Blasenschleimhaut gegen wiederkehrende Infektionen (z.B. Strovac, Uro-Vaxom).
- Probiotika: Präparate mit „guten“ Bakterien können helfen, die natürliche Flora im Darm und im Urogenitaltrakt zu unterstützen.
- Cranberry-Produkte: Kapseln oder Säfte können das Anhaften von Bakterien an der Blasenwand erschweren (die Studienlage ist allerdings uneinheitlich).
- Verhaltenstipps: Viel trinken, regelmäßiges Entleeren der Blase, richtige Intimhygiene und ggf. Anpassung der Kathetertechnik können das Infektionsrisiko ebenfalls senken.
Du hast schon sehr viel ausprobiert und bist sehr reflektiert. Es gibt leider nicht die eine Lösung, aber vielleicht ist ja eine der genannten Möglichkeiten noch einen Versuch wert. Manchmal hilft es auch, verschiedene kleine Maßnahmen zu kombinieren, um zumindest eine Verbesserung zu erreichen.
Ich wünsche dir viel Kraft und hoffe, dass du hier im Forum noch weitere hilfreiche Tipps bekommst.
Gruß
Matti