Liebe Hanna,
Ich habe mir jetzt die von Dir zitierte Originalliteratur besorgt. Leider führt diese nicht sehr weiter, denn die Aussage, dass bis zu 68% der MS Patienten von Fekaler Inkontinenz (FI) betroffen sind, stammt von einer zitierten Literaturstelle:
Hinds JP, Eidelman BH, Wald A. Prevalence of bowel dysfunction in multiple sclerosis. A population survey. Gastroenterology 1990;
98(6):1538–1542
Aus dieser Stelle wird auch zitiert, dass auch bei milden Formen der MS 24% de Patienten von FI betroffen sind.
Wenn man nun wissen will, was dieses "bis zu" bedeutet, welche Subpopulationen also betroffen sind, muss man die zitierte Arbeit lesen, ich werde sie mir besorgen. Wahrscheinlich wird dort diese Aussage wieder mit einem anderen Zitat belegt, ich kenne das, dieses Zitieren und Abschreiben und wenn man die getroffene Aussage ganz zurückverfolgt stößt man mitunter auf nicht mehr nachvollziehbare Publikationen aus dem Jahre Schnee.
Nun, es interessiert mich und ich werde nachforschen. Was aber noch drinnen steht, dass ein Teil der FI gar nicht durch MS an sich verursacht wird, sondern iatrogene Ursachen hat, sprich Nebenwirkungen von Medikamenten zugrunde liegen. Angeführt werden Muskelrelaxantien wie Baclofen. Also bekommt zumindest ein, hier nicht näher spezifizierte Teil der MS Patienten nicht durch MS ein Problem mit fekaler Inkontinenz, sondern durch die Behandlung der MS.
Weiters wird ein Algorithmus vorgestellt, welcher nach der Vemeidung von medikamentösen Nebenwirkungen auch Ballaststoff Supplemenation vorsieht und Biofeedback und dann bei Versagen transanale Irrigation empfiehlt.
Ich lese daraus, dass Deine Aussage, ich habe MS und habe damit eine 68%ige Wahrscheinlichkeit stuhlinkontinent zu werden, einfach nicht stimmt und MS Betroffenen eine falsche Perspektive gibt.
Ballaststoff Supplementation, richtige Medikamentenwahl, Biofeedback bilden eine gute Basis, Stuhlinkontinenz zu vermeiden. Gelingt dies nicht, ist Irrigation der empfohlene Weg und nur in besonderen Fällen schlägt man den Weg zu speziellen Medikamenten ein.
Die Lehre daraus? Und das gilt nicht nur für MS Betroffene, das gilt auch für neurogene Blasenentleerungsstörungen und viele andere Erkrankungen, mit denen Betroffene hier auftauchen. Nicht gleich mit medikamentösen Kanonen schießen. Erst konservative Behandlungsstrategien ausprobieren.
Ich hatte auch am Anfang meiner Blasenentleerungsstörung ein Parasympathikomimetikum verschrieben bekommen. Was hat es gebracht? Durchfall bis zur Stuhlinkontinenz. Teufel mit Belzeebube austreiben.
Hoffe, eure Studien gehen gut voran und wir lernen noch mehr darüber, welche Hilfsmittel und therapeutischen Ansätze die richtige Wahl für jeden einzelnen Betroffenen sind.
Johannes