Lieber Sebald, liebe Alexa,
eure Aussagen treffen den Kern. Es stellt sich die Frage, wie viel Versorgungsqualität kommt nach dem HHVG (Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung – April 2017) wirklich beim Patienten an. Hat sich die Versorgungssituation, der Qualitätsstandart und die Beratungs Qualität verbessert?
Allein in den letzten vier Wochen habe ich genau darüber mit unzähligen Akteuren diskutiert und gesprochen (eine Liste der Diskussions- und Gesprächspartner weiter unten im Beitrag).
Es gilt ja nach wie vor die Frage zu klären, ob es sich bei den Problemen um Einzelfälle oder einen systemischen Missstand handelt.
Dies mag mit sowohl als auch beantwortet werden können, wobei auch sogenannte Einzelfälle nur die wahrnehmbare Spitze eines systemischen Missstandes sein können oder anders gesagt sind.
Die Aktualisierung des Hilfsmittelverzeichnises ist grundsätzlich zu begrüßen. Schließlich waren die Qualitätsanforderungen an die Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis und somit die Qualität die beim Betroffenen als ausreichend, zweckmäßig und das medizinische nicht überschreitende ankommt, seit dem Jahr 1993 nicht mehr angepasst worden. Nach wie vor werden aber die gerne als Luxus- und Premiumprodukt bezeichneten Produkte nicht zuzahlungsfrei abgegeben. Das Hilfsmittelverzeichnis lässt her nach wie vor einen großen Spielraum.
Das Problem: Die Preise sind so niedrig, dass teurere Produkte, die dem Patienten besser dienlich sind, einfach kalkulatorisch nicht mehr drin sind. Das heißt, es wird zu den Preisen, die im Moment am Markt sind, geschaut, dass man das Günstigstes bekommt, dass dem Versicherten zwar nutzt, aber eben nicht den Vorteil des individuellen Bedarfs bietet. Vielfach wird die Produktart pauschal als ausreichend angesehen.
Der Gesetzgeber hat zudem im HHVG festgeschrieben, dass der Preis nur noch zu 50% in die Ausschreibung oder dem Vertragsrecht Einfluss finden darf. Qualitätsaspekte sollen als Zuschlagskriterium ein Gewicht von mindestens 50 Prozent haben.
Anfang des Jahres griff deshalb das Bundesversicherungsamt ein. Der Verdacht: Einige Kassen würden bei den Hilfsmitteln noch immer zu sehr auf den Preis achten und nicht auf die Qualität.
Doch die drei betroffenen Kassen denken gar nicht daran, die Ausschreibungen zurückzuziehen und haben gegen den Bescheid ihrer Aufsichtsbehörde geklagt. Die DAK etwa beim Landessozialgericht Hamburg.
Bei einer Podiumsdiskussion im September 2018, an der ich als Vorstandsmitglieder der Inkontinenz Selbsthilfe e.V. teilnahm, wurde an Dr. Walter Seliger (GKV-Spitzenverband) die Frage gestellt, wann denn der vom Gesetzgeber eigentlich zum 01. Juni 2018 geforderte Bericht über die Entwicklung der Mehrkostenvereinbarungen (Zuzahlungen) veröffentlich würde. Seliger nannte eine verspätete Bereitstellung der Branchensoftware Systeme als Grund, warum der Bericht noch nicht vorliegt und kündigte direkt an, dass man den Bericht erst im Juni 2019 erstmals veröffentlichen wolle.
Er dämpfte außerdem die Erwartungen an diesen Bericht. Der erste Bericht könne noch keine Entwicklung zeigen, sondern liefere nur eine Bestandsaufnahme. Dazu benötige es zunächst Vergleichswerte.
Ich weiß, dass es nach wie vor nicht ausreichend gelingt, Betroffene zu mobilisieren aktiv gegen diese Vorgänge und Zustände vorzugehen. Dies muss auch nicht jeder einzeln für sich selbst machen. Genau dazu gibt es ja Vereine wie die Inkontinenz Selbsthilfe e.V.
Leider wird nach wie vor überwiegend dieses Forum als Kern des Vereins angesehen. Im Bereich des ermöglichen von Erfahrungsaustausch ist es dies auch ganz sicher so. Dahinter steckt aber viel, viel mehr! Wir sind als Verein Interessenvertretung, betreiben Öffentlichkeitsarbeit, referieren und diskutieren, nehmen Stellung.
Wir verfügen über die Kontakte zu Personenkreisen und Akteuren, welche diese Situation begleiten, verantworten und letztlich darauf Einfluss nehmen sollen und können.
Betroffene sollen ihre individuellen Fragen und Probleme beispielsweise hier im Forum besprechen. Es wäre aber so, so wichtig, dass viel, viel mehr Menschen verstehen, dass die Inkontinenz Selbsthilfe e.V. so, so viel mehr als ein Forum zum gegenseitigen Erfahrungsaustausch ist.
Mitgliedsantrag:
www.inkontinenz-selbsthilfe.com/mitgliedsantrag
Liste der Personen, mit welcher die Inkontinenz Selbsthilfe e.V. in den letzten vier Wochen genau zu diesem Thema diskutiert und gesprochen hat:
Ben Bake (Vorstand Sanitätshaus Aktuell AG / Vorstand Bundesverband Medizintechnologie e.V / Sprecher Initiative "Faktor Lebensqualität").
Andreas Brandhorst (Referatsleiter Vertragszahnärztliche Versorgung, Heilmittel-, Hilfsmittelversorgung & wirtschaftliche Fragen des Rettungsdienstes / Bundesministerium für Gesundheit)
Dr. Siiri Doka (BAG Selbsthilfe)
Bernd Faermann (AOK Bundesverband)
Thomas Piel (Vorstandsvorsitzender Verband Versorgungsqualität Homecare (VVHC) / Geschäftsführer RSR Reha-Service-Ring GmbH)
Dr. Walter Seliger (Abteilung Gesundheit – Referat Hilfsmittel, GKV-Spitzenverband)
Dr. Roy Kühne (MdB. CDU-Bundestagsabgeordneter)
Alexander Krauß (MdB. CDU-Bundestagsabgeordneter)
Thomas Piel (RSH Reha Service ring GmbH)
Björn Besse (Geschäftsführer MediCenter Mittelrhein GmbH)
MOHAGE Mommsen Handelsgesellschaft mbH Berlin
Joachim Dehmel (Commercial Director Essity Deutschland (TENA))
Daniela Piossek (ehem. BVMed, jetzt Leiterin Hauptstadtvertretung Paul Hartmann AG)
Julia Pohl (BVMed)
Christian Limpert (Stoma Welt)
Stefan Süß (Selbsthilfeverband Inkontinenz e.V.)
Andreas Haupt (Heimleitung bei DRK Pflegedienste Stuttgart und Umgebung)
Hollister
Coloplast
Uromed