Eine Episiotomie ist ein chirurgischer Schnitt im Bereich des Perineums (Damm), der während der vaginalen Geburt durchgeführt wird, um den Scheidenausgang zu erweitern. Diese Maßnahme soll die Geburt erleichtern und das Risiko schwererer Geburtsverletzungen mindern. Obwohl der Eingriff in bestimmten Fällen notwendig sein kann, birgt er auch potenzielle Risiken und Folgen, darunter die Entwicklung von Inkontinenz, die eine signifikante Auswirkung auf die Lebensqualität der betroffenen Frauen haben kann.
Was ist eine Episiotomie?
Eine Episiotomie wird oft während der letzten Phase der Geburt vorgenommen, wenn der Kopf des Babys fast durch den Scheideneingang dringt. Es gibt zwei Hauptarten von Episiotomien:
- Mediolaterale Episiotomie: Der Schnitt wird schräg von der Vaginalöffnung zu einer Seite gemacht, um das Risiko einer Schädigung des Anus zu minimieren.
- Median (oder mittlere) Episiotomie: Der Schnitt verläuft vom Zentrum der Vaginalöffnung gerade nach hinten zum Anus. Diese Methode hat ein höheres Risiko, den Schließmuskel zu verletzen, aber sie heilt in der Regel schneller und verursacht weniger postoperative Schmerzen.
Vorteile und Notwendigkeit einer Episiotomie
Eine Episiotomie kann aus mehreren Gründen durchgeführt werden:
- Reduzierung des Risikos eines unkontrollierten Risses: Wenn das Gewebe nicht ausreichend gedehnt ist, kann es zu einem unkontrollierten Riss kommen, der in manchen Fällen schwerer heilen könnte.
- Verkürzung der Dauer des zweiten Geburtsstadiums: Bei langwierigen Geburten kann eine Episiotomie helfen, das Baby schneller zur Welt zu bringen.
- Geburtsinstrumente: Bei der Verwendung von Zangen oder Vakuum kann eine Episiotomie notwendig sein, um ausreichend Platz zu schaffen.
Risiko und Komplikationen
Während manche Geburtshelfer den Eingriff als Routine vornehmen, gibt es weltweit eine zunehmende Debatte über die Notwendigkeit und die Häufigkeit von Episiotomien. Die potenziellen Risiken und Komplikationen umfassen:
- Schmerzen und Unbehagen: Der Heilungsprozess nach einer Episiotomie kann schmerzhaft und unangenehm sein.
- Infektionen: Wie bei jedem chirurgischen Eingriff gibt es ein Risiko für Infektionen.
- Sexuelle Dysfunktion: Narbengewebe kann ein unangenehmes Gefühl während des Geschlechtsverkehrs verursachen.
- Längere Heilungszeit: Im Vergleich zu natürlichen Rissen kann die Heilung länger dauern.
Episiotomien und Inkontinenz
Eine der gravierendsten Langzeitfolgen einer Episiotomie kann die Inkontinenz sein. Inkontinenz ist die Unfähigkeit, Urin oder Stuhl unter Kontrolle zu halten. Es gibt zwei Haupttypen von Inkontinenz im Zusammenhang mit Episiotomien:
1. Belastungsinkontinenz
Diese Art der Inkontinenz tritt auf, wenn Druck auf die Blase ausgeübt wird, zum Beispiel beim Husten, Niesen, Lachen oder Heben schwerer Gegenstände. Der durch die Episiotomie verursachte Schaden an den Beckenbodenmuskeln kann ihre Fähigkeit zur Unterstützung der Blase beeinträchtigen. Dies kann zu einer Schwächung der Muskel- und Bindegewebestrukturen führen, die notwendig sind, um die Blase und den Harnröhrenverschluss in Position zu halten.
2. Dranginkontinenz
Bei der Dranginkontinenz verspüren die Betroffenen einen plötzlichen, starken Harndrang, der nur schwer unterdrückt werden kann. Schäden durch eine Episiotomie können die Nerven beeinflussen, die die Blase und den Beckenboden versorgen, was zu einer überaktiven Blase führt.
3. Anal- und Stuhlinkontinenz
Eine weniger häufige, aber ebenso belastende Form der Inkontinenz ist die Anal- und Stuhlinkontinenz. Diese kann auftreten, wenn eine Episiotomie bzw. wenn der Dammschnitt oder das Nähen den Analschließmuskel beschädigt. Eine Schädigung kann die Fähigkeit, den Stuhlgang zu kontrollieren, beeinträchtigen.
Prophylaxe und Behandlung von Inkontinenz nach Episiotomie
Prophylaktische Maßnahmen
- Wahl der Episiotomie-Art: Die mediolaterale Episiotomie hat im Vergleich zur medianen Episiotomie ein geringeres Risiko, Inkontinenz zu verursachen.
- Beckenbodentraining: Vorbeugende Maßnahmen wie Beckenbodentraining vor und nach der Geburt können helfen, die Muskeln zu stärken und das Risiko einer Inkontinenz zu mindern.
- Geburtsvorbereitungskurse: Teilnahme an Geburtsvorbereitungskursen, um über alternative Geburtsmethoden und Techniken zu lernen, die die Notwendigkeit einer Episiotomie reduzieren können.
Therapeutische Maßnahmen
- Beckenbodenübungen: Regelmäßige Durchführung von Kegel-Übungen kann helfen, die Beckenbodenmuskulatur zu stärken und die Blasenkontrolle zu verbessern.
- Physiotherapie: Eine speziell auf den Beckenboden ausgerichtete Physiotherapie kann bei der Wiederherstellung der Muskelkontrolle hilfreich sein.
- Medikamentöse Behandlung: Medikamente können zur Kontrolle einer überaktiven Blase oder zur Verbesserung der Blasenschließfunktion eingesetzt werden.
- Chirurgische Eingriffe: In schweren Fällen kann ein chirurgischer Eingriff notwendig sein, um die verlorene Muskel- und Gewebefunktion wiederherzustellen.
- Verhaltenstherapie und Biofeedback: Diese Therapieformen können helfen, die Blasen- und Darmmuskulatur besser zu kontrollieren.
Episiotomien sollten sorgfältig abgewogen und ausschließlich bei medizinischer Notwendigkeit vorgenommen werden, um das Risiko vermeidbarer Komplikationen zu minimieren. Die potenziellen Langzeitfolgen wie Inkontinenz können gravierend sein und die Lebensqualität der betroffenen Frauen erheblich beeinträchtigen. Eine umfassende Aufklärung und präventive Maßnahmen sowie gezielte therapeutische Ansätze sind entscheidend, um die Auswirkungen einer Episiotomie zu minimieren und die Gesundheit und Lebensqualität der Frauen zu erhalten.
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