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Ratgeber: Inkontinenz bei alten, geriatrischen und pflegebedürftigen Menschen

Dieser Ratgeber bietet umfassende Informationen und Praxistipps, speziell angepasst auf die Bedürfnisse von alten, geriatrischen und pflegebedürftigen Menschen sowie deren pflegende Angehörige. Ein individueller Plan und regelmäßige Absprache mit Fachkräften sind essenziell, um die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern und die Pflege zu erleichtern.

Tipp 347 x 350 pxWichtiger Hinweis: Inkontinenz sollte niemals einfach hingenommen werden, nur weil eine Person alt ist. Es gibt Situationen, in denen Inkontinenz aufgrund des gesundheitlichen Gesamtzustands, beispielsweise bei kognitiven Abbau, Bettlägerigkeit oder in palliativen Situationen, nicht mehr behandelbar ist oder die Prioritäten anders gelagert sind. In allen anderen Fällen lohnt sich jedoch der Therapieversuch, da er die Lebensqualität der Betroffenen sowie oft auch die der Angehörigen oder Pflegenden erheblich verbessern kann. Insbesondere bei einer Erstbetreuung sollte im Rahmen des pflegerischen Assesments unbedingt das Kontinenzprofil bestimmt werden um einen angemessenen Unterstützungsbedarf zu etablieren.

 

Was ist Inkontinenz?

Inkontinenz bezeichnet den unwillkürlichen Verlust von Harn oder Stuhl und tritt besonders häufig bei alten, geriatrischen und pflegebedürftigen Menschen auf. Diese Bevölkerungsgruppe ist aufgrund verschiedener körperlicher und medizinischer Veränderungen besonders betroffen, was die Herausforderung der Pflege erhöht.

Welche Ursachen hat Inkontinenz im Alter?

 

Körperliche Degeneration
  • Abnahme der Muskelkraft im Beckenbodenbereich: Mit zunehmendem Alter verlieren die Muskeln an Elastizität und Stärke, was die Kontrolle über Blase und Darm erschwert.
  • Hormonelle Veränderungen: Insbesondere bei Frauen nach den Wechseljahren kann ein Rückgang des Östrogenspiegels zu einer Schwächung des Beckenbodens und der Blasenkontrolle führen.
  • Altersbedingte Veränderungen von Blase und Darm: Diese Organe können im Laufe der Zeit weniger flexibel und weniger effizient in ihrer Funktion werden, was zu Blasen- oder Darmschwäche führen kann.

Erkrankungen

  • Neurologische Erkrankungen: Krankheiten wie Multiple Sklerose, Schlaganfälle und Parkinson können die Nervenbahnen beeinträchtigen, die die Blasen- und Darmfunktion steuern.
  • Demenz: Kognitive Beeinträchtigungen bei Demenz können dazu führen, dass die betroffenen Personen das Bedürfnis zu urinieren oder den Stuhlgang zu haben, nicht rechtzeitig erkennen oder darauf reagieren.
  • Diabetes: Chronischer Diabetes kann die Nerven schädigen, die die Blasenfunktion kontrollieren, und die Blase selbst beeinflussen, was zur Inkontinenz beiträgt.
  • Prostataprobleme bei Männern: Vergrößerung der Prostata oder Prostataoperationen können die Harnwege blockieren oder schädigen, was zu Harninkontinenz führt.
  • Gebärmuttervorfall bei Frauen: Ein Vorfall oder Senkung der Gebärmutter kann Druck auf die Blase ausüben und Inkontinenz verursachen.
  • Palliative Situationen: In fortgeschrittenen Stadien von unheilbaren Erkrankungen können sowohl die körperliche als auch die kognitive Kontrolle über Blase und Darm beeinträchtigt sein, was zur Inkontinenz führt.

Medikamenteneinnahme

  • Diuretika (Entwässerungstabletten): Fördern die Urinproduktion und können dazu beitragen, dass Harninkontinenz häufiger auftritt.
  • Beruhigungsmittel und Schmerzmittel: Diese Medikamente können die Muskulatur entspannen und die Kontrolle über die Blase beeinträchtigen.
  • Antidepressiva und Antipsychotika: Können ebenfalls Einfluss auf die Blasen- oder Darmkontrolle haben.

Bewegungseinschränkungen und Mobilitätsverlust

  • Beweglichkeitseinschränkungen: Ältere Menschen mit Arthritis, Osteoporose oder nach Operationen können Schwierigkeiten haben, sich rechtzeitig zur Toilette zu begeben.
  • Schwerste Pflegebedürftigkeit: Personen in einem Zustand schwerster Pflegebedürftigkeit haben oft erheblich eingeschränkte Mobilität und benötigen Hilfe bei den täglichen Aktivitäten, einschließlich des Toilettengangs.
  • Mobilitätsverlust: Völliger Verlust der Mobilität, wie zum Beispiel bei Bettlägerigkeit, kann es für ältere Menschen unmöglich machen, die Toilette zu erreichen, was zu Inkontinenz führt.

Kognitiver Abbau

  • Demenz und andere kognitive Beeinträchtigungen: Diese können dazu führen, dass betroffene Personen das Bedürfnis zu urinieren oder den Stuhlgang zu haben, nicht rechtzeitig erkennen oder darauf reagieren.
  • Kognitive Dysfunktion: Gedächtnisverlust, Orientierungslosigkeit und verringerte Problemlösungsfähigkeiten können zudem dazu beitragen, dass rechtzeitiges Erkennen und Reagieren auf die Notwendigkeit des Toilettengangs erschwert wird.

Psychische Belastungen

  • Emotionaler Stress: Verlust von Angehörigen, soziale Isolation und der allgemeine Stress des Alterungsprozesses können die Problematik verschärfen.
  • Angst und Depression: Psychische Belastungen können auch eine Rolle spielen, da sie sich negativ auf die generelle Gesundheit und die Fähigkeit zur Blasenkontrolle auswirken können.

Sonstige Faktoren

  • Übergewicht: Kann zusätzlichen Druck auf die Blase ausüben und den Zustand verschlimmern.
  • Chronische Verstopfung: Kann zu unbeabsichtigtem Harnverlust führen, da der überfüllte Darm Druck auf die Blase ausübt.
  • Harnwegsinfektionen: Können die Blase reizen und zu vorübergehender Inkontinenz führen.

 

Ein interdisziplinäres Management, das verschiedene medizinische, physiotherapeutische, pflegerische und psychologische Ansätze integriert, ist oft notwendig, um ältere Menschen mit Inkontinenz adäquat zu unterstützen.

 

Welche Probleme können auftreten?

Die durch Inkontinenz entstehenden Probleme sind vielfältig und betreffen sowohl die betroffenen Personen als auch ihre pflegenden Angehörigen:

  • Hygieneprobleme: Häufiges Wechseln von Kleidung und Bettwäsche sowie die Notwendigkeit regelmäßiger Körperreinigung.
  • Gesundheitliche Probleme: Hautirritationen, Infektionen, Dekubitus und Harnwegsinfekte.
  • Psychische Belastungen: Schamgefühle, Ängste, soziale Isolation und Depression.
  • Belastung für pflegende Angehörige: Hoher zeitlicher und emotionaler Aufwand bei der Pflege.
Inkontinenz – Ein Paradox des gesundheitlichen "Gewinns" im Alter

Auf den ersten Blick mag es paradox erscheinen, doch Inkontinenz kann im Alter tatsächlich zu einem gesundheitlichen Gewinn führen. Häufig wird Inkontinenz als belastendes und peinliches Problem empfunden, doch sie birgt auch eine weniger offensichtliche, positive Seite. Für viele ältere Menschen bringt sie Nähe, Umsorgung und Körperkontakt mit sich – Aspekte, die essenziell für das Wohlbefinden und die Lebensqualität sind.
Mit zunehmendem Alter können Einsamkeit und Isolation erhebliche Gesundheitsrisiken darstellen. Ältere Menschen, die unter Inkontinenz leiden, sind oft auf die Unterstützung von Pflegern oder Familienmitgliedern angewiesen. Diese Pflege bietet nicht nur die notwendige physische Unterstützung, sondern auch emotionale Zuwendung und menschliche Nähe. Regelmäßiger Körperkontakt und das Gefühl, umsorgt zu werden, können das emotionale und psychische Wohlbefinden steigern und somit eine wichtige Rolle in der ganzheitlichen Gesundheit spielen.
Inkontinenz zwingt die Betroffenen und ihre Pfleger, über oft tabuisierte Themen wie Körperfunktionen und Intimität zu sprechen und diese zu handhaben. Dies kann eine Vertiefung der zwischenmenschlichen Beziehungen und eine stärkere emotionale Bindung nach sich ziehen, welche für die Lebensqualität älterer Menschen von entscheidender Bedeutung ist.

Obwohl Inkontinenz zweifellos Herausforderungen mit sich bringt und die genannten Faktoren durchaus „Vorteile“ für die Betroffenen bieten können, darf nicht übersehen werden, dass sie letztlich eine Abhängigkeitssituation schaffen, die viele Nachteile mit sich bringt und die Selbstbestimmtheit erheblich einschränkt. Die damit verbundene Abhängigkeit kann das Gefühl der Autonomie mindern und das Selbstwertgefühl beeinträchtigen, weshalb eine umfassende Betrachtung der individuellen Bedürfnisse und Lebensqualität von größter Bedeutung ist.

Welche Hilfsmittel und Therapien gibt es?

Für ältere, geriatrische und pflegebedürftige Menschen kommen verschiedene Hilfsmittel und Therapien in Betracht:

 

Kondomurinale (Urinalkondome)

  • Ein komfortables, nicht-invasives Auffangsystem, das aus einem Kondom-ähnlichen Silikon- oder Latexüberzug besteht, der über den Penis gestreift wird.
  • Der Urin wird durch einen Schlauch in einen Auffangbeutel geleitet, der am Bein getragen werden kann.
  • Ideal für Männer mit regelmäßiger oder intermittierender Inkontinenz, die Mobilität benötigen.

Einlagensysteme und Windelhosen

  • Spezielle Einlagen oder Windelhosen für Männer, die Urin effizient absorbieren.
  • Bieten Diskretion und Schutz bei moderater bis schwerer Inkontinenz.

Urinflaschen und tragbare Toiletten

  • Praktisch für bettlägerige oder mobilitätseingeschränkte Personen.
  • Ermöglichen eine einfache Entleerung der Blase ohne den Gang zur Toilette.

Katheter

  • Intermittierende Katheterisierung: Der Katheter wird bei Bedarf zur vollständigen Blasenentleerung eingeführt.
  • Dauerhafter Katheter: Wird für schwerwiegende Fälle von Inkontinenz oder Blasenentleerungsstörung verwendet.

Externe Urinauffangsysteme

  • Beinbeutel und größere Auffangbehälter, die eine größere Kapazität bieten und unter der Kleidung getragen werden können.

Hautpflegeprodukte

  • Produkte zur Pflege und zum Schutz der Haut vor Reizungen und Infektionen durch häufigen Kontakt mit Urin (z.B. Hautschutzcremes, Reinigungstücher).

Toilettenstühle

  • Toilettenstühle sind mobile Stühle mit integrierter Öffnung für eine Bettpfanne oder Ausscheidungseinrichtung.
  • Ideal für Personen, die Schwierigkeiten haben, eine normale Toilette zu benutzen.
  • Erhältlich in verschiedenen Designs und Höhen, oft mit gepolsterten Sitzen und Armlehnen für zusätzlichen Komfort und Unterstützung.

Bettpfannen

  • Bettpfannen sind flache, offene Behälter, die speziell für bettlägerige Personen entwickelt wurden.
  • Sie ermöglichen die Ausscheidung im Bett und sind in verschiedenen Ausführungen, wie Standard oder anatomisch geformt, erhältlich.
  • Bettpfannen können aus Kunststoff oder Edelstahl sein und sind darauf ausgelegt, leicht zu reinigen und zu desinfizieren.

 

Therapie

Medikamentöse Therapien: Medikamente zur Regulierung der Blasen- und Darmfunktion und zur Linderung der Symptome.

Physiotherapie und Beckenbodentraining: Übungen zur Stärkung der Beckenbodenmuskulatur.

Verhaltensänderungen und Blasentraining: Gezielte Trainings zur Verbesserung der Blasenkontrolle.

Operationen: Bei bestimmten Diagnosen wie einem Prostataadenom oder Gebärmuttersenkungen können chirurgische Eingriffe notwendig sein.

 

Grundregeln für die Pflege

Es ist wichtig, respektvoll und sensibel im Umgang mit allen Menschen zu sein, unabhängig von ihrem Alter. Vermeiden Sie gegenüber einer erwachsenen Person Begriffe wie Pampers, pampern oder wickeln. Bedenken Sie immer, dass es sich um eine erwachsene Person handelt und nicht um ein Baby oder Kleinkind.

  • Diskretion und Würde: Schaffen Sie eine vertrauensvolle Atmosphäre, in der sich die betroffene Person verstanden und respektiert fühlt.
  • Regelmäßige Toilettengänge: Fördern Sie bei bestehenden Möglichkeiten regelmäßige Toilettengänge.
  • Umfangreiche Hygiene: Gründliche Körperpflege vermeidet Hautirritationen.
  • Angemessene Ernährung: Eine ballaststoffreiche Ernährung hilft, den Darm zu regulieren.

Essen und Trinken abstimmen

  • Trinkplan erstellen: Strukturierte Trinkgewohnheiten helfen, ungewollte Harnausscheidungen zu verhindern.
  • Ballaststoffreiche Ernährung: Ballaststoffe halten den Darm in Bewegung und helfen gegen Verstopfung.
  • Blasenreizende Substanzen vermeiden: Reduzieren Sie Koffein, Alkohol und scharfe Gewürze.

Den Alltag anpassen

  • Barrierefreiheit sicherstellen: Anpassungen in der Wohnumgebung erleichtern den Toilettengang.
  • Leichte Kleidung: Kleidung, die leicht an- und auszuziehen ist, erleichtert die Benutzung der Toilette.
  • Toilettensitzhilfen und Haltegriffe: Diese erleichtern das Hinsetzen und Aufstehen.

Aufsaugende Hilfsmittel nutzen

  • Passende Hilfsmittel: Verwenden Sie passende Inkontinenzeinlagen und Windelhosen.
  • Regelmäßiger Wechsel: Wechseln Sie Hilfsmittel regelmäßig, um Feuchtigkeit und Gerüche zu kontrollieren.

Haut reinigen und pflegen

  • Sanfte Reinigung: Nutzen Sie pH-neutrale und alkoholfreie Produkte für die Hautreinigung.
  • Feuchtigkeit und Schutz: Tragen Sie spezielle Cremes oder Schutzsalben auf, um Hautreizungen zu vermeiden.

Mit Scham umgehen

  • Offenheit und Sensibilität: Sprechen Sie offen und verständnisvoll über Inkontinenz.
  • Selbsthilfegruppen: Ermutigen Sie zur Teilnahme an Selbsthilfegruppen für den Austausch.

Bei Aktivitäten unterstützen

  • Aktivitäten anpassen: Planen Sie Aktivitäten mit regelmäßigen Toilettenpausen.
  • Selbstständigkeit fördern: Unterstützen Sie die Pflegebedürftigen dabei, aktiv und selbstständig zu bleiben.

 

Unterstützung & Hilfen

Wann ist ärztlicher Rat besonders wichtig?

  • Plötzlicher Beginn: Bei plötzlich auftretender Inkontinenz.
  • Schmerzen und Beschwerden: Bei Schmerzen oder Unwohlsein im Zusammenhang mit Inkontinenz.
  • Unwirksamkeit der Maßnahmen: Wenn bisherige Maßnahmen nicht ausreichen.
  • Begleitende Symptome: Bei zusätzlichen Symptomen wie Blut im Urin oder schwerwiegenden Hautproblemen.

Wo gibt es Beratung und Unterstützung?

  • Hausärzte und Urologen: Erste Anlaufstelle und spezialisierte Behandlung.
  • Pflegedienste: Unterstützung bei der häuslichen Pflege.
  • Kranken- und Altenpfleger: Spezialisierte Betreuung und Unterstützung.
  • Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen: Austausch und fachkundige Beratung.
  • Apotheken und Sanitätshäuser: Beratung und Versorgung mit Inkontinenzprodukten.
  • Pflegeberatungsstellen (z. B. der Krankenkassen): Beratung und Unterstützung bei rechtlichen und finanziellen Fragen.

Die Inanspruchnahme dieser vielfältigen Unterstützungsmöglichkeiten kann die Pflege und den Alltag erleichtern und die Lebensqualität der Betroffenen verbessern.

 

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