Ein künstlicher Schließmuskel (auch als künstlicher Sphinkter bekannt) ist eine medizinische Vorrichtung, die entwickelt wurde, um die Funktion eines natürlichen Schließmuskels zu ersetzen, der aus verschiedenen Gründen geschwächt oder beschädigt sein könnte. Solche Systeme werden vor allem zur Behandlung von Inkontinenz verwendet, sowohl bei Männern als auch bei Frauen.
Es gibt verschiedene Typen und Modelle von künstlichen Schließmuskelsystemen, aber sie bestehen typischerweise aus einem Manschettenteil, das um den Harnröhrenbereich gelegt wird, einem Pumpmechanismus, der in den Skrotalbereich (bei Männern) oder die Labien (bei Frauen) implantiert wird, und einem Reservoir, das in der Bauchhöhle oder im Beckenbereich platziert wird. Diese Komponenten arbeiten zusammen, um den Harnfluss durch die Harnröhre zu regulieren. Wenn der Patient urinieren möchte, kann er den Pumpmechanismus betätigen, um die Manschette zu entleeren, was den Urinfluss ermöglicht. Nach dem Wasserlassen füllt sich die Manschette automatisch wieder und schafft so eine Barriere, die die Inkontinenz verhindert.
Für wen kommt ein künstlicher Schließmuskel in Frage?
- Männer: Besonders nach einer Prostatektomie (operative Entfernung der Prostata) kann es bei Männern zu einer signifikanten Stressinkontinenz kommen, die mit einem künstlichen Schließmuskel behandelt werden kann.
- Frauen: Frauen, die an schwerer Harninkontinenz leiden, insbesondere nach operativen Eingriffen am Becken oder bei neurologischen Störungen, könnten ebenfalls Kandidaten für ein solches System sein.
- Kinder und Erwachsene mit neurologischen Erkrankungen: Menschen mit Rückenmarksverletzungen, Spina bifida oder anderen neurologischen Erkrankungen, die die Kontrolle über ihre Blase beeinträchtigen, könnten ebenfalls von einem künstlichen Schließmuskel profitieren.
Der Einsatz eines künstlichen Schließmuskels wird normalerweise in Erwägung gezogen, wenn andere konservativere Behandlungsoptionen wie Physiotherapie, Medikamente oder minimal-invasive Verfahren nicht erfolgreich waren. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass nicht jeder ein geeigneter Kandidat für diese Art von Eingriff ist. Ein ausführliches Gespräch mit einem Urologen oder anderen medizinischen Fachkräften ist notwendig, um die individuellen Bedürfnisse, den allgemeinen Gesundheitszustand und die möglichen Risiken und Vorteile abzuwägen.
- Einsatz einer Schliessmuskelprothese AMS 800
Die Hydraulische Harnröhrenschliessmuskelprothese AMS 800 | Ersatz für den natürlichen Schließmuskel
Die Hydraulische Harnröhrenschließmuskelprothese AMS 800 ist eine bewährte und effektive Therapie bei Inkontinenz. Der AMS 800 ersetzt den natürlichen Schließmuskel, der die Kontrolle über die Harnröhre ermöglicht. Es handelt sich um einen künstlicher Schließmuskel, der die Funktion des natürlichen Schließmuskels ersetzt. Er wird bei Männern angewendet, die an einer Störung des Blasenschließmuskels leiden, z.B. nach einer Prostata-Operation.
Die Prothese besteht aus drei Komponenten: einer Verschlussmanschette um die Harnröhre, einer Pumpe zum Öffnen der Verschlussmanschette und einem Ballon zur Druckregulierung. Diese Komponenten sind miteinander verbunden und unterliegen ständiger Druckkontrolle. Der Einsatz der Prothese kann helfen, Inkontinenz vorzubeugen und wirksam zu behandeln. Studien belegen eine langfristige Wirkung von 90% [1].
Zunächst wird die Prothese in Abhängigkeit des Risikos für Inkontinenz individuell angepasst. Der Patient lernt dann, die Verschlussmanschette zu öffnen und zu schließen, um den Urinfluss zu kontrollieren. Die Pumpe ermöglicht es dem Patienten, die Manschette je nach Bedarf manuell oder automatisch zu öffnen oder zu schließen. Der Ballon reguliert den Druck auf die Harnröhrenwand.
Die Schließmuskelprothese AMS 800 bietet verschiedene Vorteile gegenüber anderen Therapien bei Inkontinenz, insbesondere bei hohem Risiko für Inkontinenz, da sie eine sehr wirksame Behandlungsmethode ist. In Vergleichsstudien hat sie sich als risikoarme und effektive Therapieoption für Stressinkontinenz erwiesen. Es hat sich gezeigt, dass mit dieser Prothese ausgezeichnete Ergebnisse erzielt werden können – sowohl bei leichten als auch schweren Fällen von Belastungsinkontinenz – mit signifikant geringerer Rate an Komplikationen im Vergleich zu anderen Behandlungsmethoden.
Insgesamt bietet die Schließmuskelprothese AMS 800 eine risikoarme und effektive Therapie bei Inkontinenz, da sie den natürlichen Schließmuskeln ersetzt und den Patienten in der Lage ist, den Urinfluss zu kontrollieren und somit Stressinkontinenz vorzubeugen und wirksam zu behandeln.
Atoms-Prothese
Die Atoms-Prothese (Adjustable Transobturator Male System) ist ein medizinisches Gerät, das zur Behandlung der männlichen Stressinkontinenz entwickelt wurde, insbesondere nach Prostataoperationen wie einer Prostatektomie. Das System wird chirurgisch implantiert und bietet eine einstellbare Kompression der Harnröhre, was hilft, den Harnverlust zu kontrollieren, indem der Widerstand der Harnröhre erhöht wird.
Hauptkomponenten und Merkmale:
- Einstellbarkeit:
- Eines der wesentlichen Merkmale des ATOMS-Systems ist seine Einstellbarkeit. Dies ermöglicht es dem Arzt, nach der Implantation den auf die Harnröhre ausgeübten Druck fein abzustimmen und so das Gleichgewicht zwischen effektiver Kontinenz und Komfort zu optimieren.
- Transobturatorische Platzierung:
- Das System wird unter Verwendung eines transobturatorischen Ansatzes implantiert, der in der Regel weniger invasive Verfahren beinhaltet und potenziell das Risiko von Komplikationen im Vergleich zu anderen chirurgischen Methoden reduziert.
- Ballonkissen:
- Das System enthält ein einstellbares Ballonkissen, das postoperativ über einen Port aufgeblasen oder entleert werden kann, wodurch der auf die Harnröhre ausgeübte Druck reguliert wird.
- Titan-Port:
- Der einstellbare Port besteht oft aus Titan und ist durch einen kleinen subkutanen Einschnitt zugänglich. Dies ermöglicht postoperative, nicht-invasive Anpassungen des Ballonvolumens.
Indikationen:
Stressinkontinenz (SUI):
- Besonders wirksam bei Männern mit SUI, insbesondere nach einer Prostataoperation.
Post-Prostatektomie-Inkontinenz:
- Häufig verwendet bei Männern, die an Inkontinenz leiden, die infolge chirurgischer Behandlungen von Prostatakrebs auftritt und den Harnröhrenschließmuskel beschädigen kann.
Vorteile:
- Einstellbarkeit:
- Die Möglichkeit der Anpassung nach der Implantation ermöglicht eine personalisierte Behandlung, die im Laufe der Zeit ohne zusätzliche Operationen optimiert werden kann.
- Minimalinvasiv:
- Der transobturatorische Ansatz ist tendenziell weniger invasiv als manche alternativen Lösungen, was potenziell eine schnellere Erholungszeit fördert und das Risiko von Komplikationen verringert.
- Effektive Verwaltung:
- Bietet eine zuverlässige Lösung zur Bewältigung von Harninkontinenz und verbessert die Lebensqualität vieler Patienten.
Verfahrensübersicht:
- Implantation:
- Das ATOMS-System wird chirurgisch durch einen kleinen Einschnitt im Perinealbereich implantiert, wobei das einstellbare Ballonkissen unter der Harnröhre positioniert und der transobturatorische Ansatz zur Sicherung des Systems verwendet wird.
- Anpassung:
- Druckanpassungen erfolgen über den subkutanen Port. Anfangs kann dies einige Wochen nach der Operation und dann periodisch nach Bedarf zur Symptombewältigung und Sicherstellung des Komforts erfolgen.
Mögliche Komplikationen:
Wie bei jeder chirurgischen Prozedur können potenzielle Komplikationen auftreten, obwohl sie relativ selten sind:
- Infektion
- Schmerzen an der Implantationsstelle
- Erosion oder Migration des Geräts
- Mechanisches Versagen im Laufe der Zeit
Überlegungen:
Patientenauswahl:
- Nicht alle Patienten sind geeignete Kandidaten für das ATOMS-System. Die Eignung wird durch den Schweregrad der Inkontinenz, die Krankengeschichte des Patienten und das Vorhandensein anderer Erkrankungen bestimmt.
Postoperative Pflege:
- Regelmäßige Nachsorge ist erforderlich, um das System anzupassen und potenzielle Komplikationen zu bewältigen.
Das Atoms-System (ATOMS) bietet eine anpassbare Lösung zur Bewältigung der männlichen Stressinkontinenz. Seine Einstellbarkeit und die minimalinvasive Implantation machen es zu einer bevorzugten Option für viele Patienten und Gesundheitsdienstleister, die eine Wiederherstellung der Kontinenz und die Verbesserung der Lebensqualität anstreben. Wie bei jeder medizinischen Behandlung ist es jedoch wichtig, dies mit einem Gesundheitsfachmann zu besprechen, um die beste Vorgehensweise basierend auf den individuellen Umständen zu bestimmen.
Die Funktionsweise der Atoms-Prothese (Adjustable Transobturator Male System) im Vergleich zur AMS 800-Prothese unterscheidet sich in mehreren Aspekten, die für den Patienten und den behandelnden Arzt von Bedeutung sein können.
Vergleich der Funktionsweisen: AMS 800 vs. Atoms
AMS 800
Aufbau:
- Manschette: Wird um die Harnröhre gelegt und übt Druck aus, um den Urinfluss zu stoppen.
- Ballon-Reservoir: Im Bauchraum positioniert, speichert die Flüssigkeit, die in die Manschette strömt.
- Pumpmechanismus: Im Hodensack platziert, ermöglicht er dem Patienten, die Flüssigkeit zwischen der Manschette und dem Ballon-Reservoir zu bewegen.
Funktionsweise:
- Kontrolle des Urinflusses: Im entspannten Zustand ist die Manschette mit Flüssigkeit gefüllt und übt Druck auf die Harnröhre aus, wodurch der Urinfluss verhindert wird.
- Entleerung der Blase: Um die Blase zu entleeren, drückt der Patient auf die Pumpe im Hodensack. Dies leitet die Flüssigkeit aus der Manschette in das Ballon-Reservoir um, wodurch der Druck auf die Harnröhre verringert und der Urinfluss ermöglicht wird.
- Wiederherstellung des "Geschlossen"-Zustands: Nach der Blasenentleerung fließt die Flüssigkeit automatisch zurück in die Manschette, wodurch der Druck auf die Harnröhre wiederhergestellt wird und der Urinfluss gestoppt wird.
Atoms
Aufbau:
- Verstellbare Manschette: Die Manschette wird um die Harnröhre gelegt und kann durch subkutane Ports reguliert werden.
- Pumpmechanismus: Ähnlich zur AMS 800 gibt es eine Pumpe, die ebenfalls im Hodensack positioniert ist.
- Fehlendes separates Reservoir: Atoms erfordert kein separates Reservoir im Bauchraum, was den Eingriff weniger invasiv machen kann.
Funktionsweise:
- Kontrolle des Urinflusses: Ähnlich wie beim AMS 800 übt die Manschette im entspannten Zustand Druck auf die Harnröhre aus, um den Urinfluss zu stoppen.
- Entleerung der Blase: Der Patient drückt auf die Pumpe, um die Manschette zu entspannen und den Druck auf die Harnröhre zu verringern, wodurch der Urinfluss ermöglicht wird.
- Wiederherstellung des "Geschlossen"-Zustands: Nach der Entleerung der Blase kann die Manschette wieder Flüssigkeit aufnehmen und den Druck auf die Harnröhre wiederherstellen, um den Urinfluss zu stoppen.
- Einstellbarkeit: Einer der Hauptunterschiede ist, dass der Druck der Manschette nach der Operation durch subkutane Einstellports angepasst werden kann. Dies ermöglicht eine präzisere und individuellere Anpassung, ohne dass ein weiterer chirurgischer Eingriff erforderlich ist.
Vergleich der Funktionsweisen
Merkmal | AMS 800 | Atoms |
---|---|---|
Einfachheit der Bedienung | Erfordert eine manuelle Bedienung der Pumpe im Hodensack und ist in seiner Mechanik gut etabliert. | Auch hier wird eine Pumpe im Hodensack verwendet, jedoch kann das System durch subkutane Ports nachjustiert werden, was zu einer einfacheren und personalisierten Handhabung führen kann. |
Anpassbarkeit | Bietet keine Möglichkeiten zur nachträglichen Anpassung des Drucks ohne chirurgischen Eingriff. | Die Möglichkeit, die Manschette nachträglich anzupassen, stellt einen signifikanten Vorteil dar. |
Invasivität und Komfort | Der operative Eingriff ist aufgrund des separaten Ballon-Reservoirs im Bauchraum etwas invasiver. | Der Eingriff kann weniger invasiv sein, da kein separates Reservoir implantiert werden muss. |
Risiken und Nebenwirkungen | Allgemeine Risiken für Infektionen, Erosion des Implantats und mechanische Fehlfunktionen. | Ähnliche Risiken wie AMS 800, jedoch kann die Feinjustierbarkeit das Risiko von Komplikationen mindern. |
Beide Systeme, AMS 800 und Atoms, bieten effektive Lösungen zur Behandlung von männlicher Belastungsinkontinenz. Während der AMS 800 durch seine bewährte Erfolgsbilanz und Langlebigkeit überzeugt, punktet das Atoms-System durch seine Einstellbarkeit und potenziell geringere Invasivität. Die Wahl des geeigneten Systems sollte individuell mit dem behandelnden Urologen besprochen werden, um die bestmögliche Therapie für den Patienten zu gewährleisten.
Quellen:
[1] Montague, DK. Artificial urinary sphincter: long-term results and patient satisfaction. Adv Urol. 2012:835290. doi:10.1155/2012/835290.
Bildnachweis: HovhannesKarapetyan - Eigenes Werk - Diagram of implanted AMS 800 artificial urinary sphincter - Bildlizenz: CC BY-SA 4.0