Hallo Zadig,
ich kann dir ein wenig dazu weiterhelfen, aus meiner eigenen Erfahrung. Vorweg: ein Einzel-GDB von 50 "nur" wegen einer Harninkontinenz erachte ich als eher unwahrscheinlich.
Von mir selbst kann ich berichten, dass ich wegen einer vergrößerten Prostata an einer hochgradigen Dranginkontinenz Grad III leide und in einer Drangphase den Urin nur wenige Sekunden halten kann. Wenn meine Blase ein wenig gefüllt ist, komme ich recht zügig in so eine Situation. Ich versorge mich deswegen mit Inkontinenzwindeln, die ich jederzeit trage, weil ich mir den Dauerstreß "jetzt sofort aufs Klo rennen zu müssen" nicht mehr antun möchte und die Klosuche nicht mehr als einen dominanten Teils meines Lebens zu haben. Zusätzlich habe ich eine Hodenatrophie und deswegen sehr niedrige Testosteronwerte, die hormonell mit Medikamenten ausgeglichen werden müssen. Daraus folgt eine hochgradige Impotenz/erektile Dysfunktion (welche sehr wahrscheinlich zusätzlich mit meinen psychischen Problemen und den Psychopharmaka wechselwirkt - wegen der Depression gibt es einen zusätzlichen Einzel-GdB). Diese gesundheitlichen Defizite wurden vom hiesigen Versorgungsamt großzügig zu einer Gesundheitsstörung zusammengefasst und ein Einzel-GDB von 50 gebildet. In meinem Erstbescheid vor ein paar Jahren, in dem die Impotenz noch nicht enthalten war, hatte ich damals für die Harninkontinenz einen Einzel-GdB von 30.
Bei der Errechnung eines Gesamt-GdB geht das Versorgungsamt von einer "Hauptstörung" aus, welche die Störung mit dem höchsten Einzel-GdB ist. Weitere Einzel-GdBs, wie bei mir meine psychische Störung mit einem Einzel-GdB von 40, werden idR zur Hälfte angesetzt. D.h. eine reine Addierung der Einzelwerte erfolgt nicht. In meinem Fall erhöht die Depression des Gesamt-GdB somit um 20. Diese Logik passiert ab Einzel-GdBs von 20, d.h. ein Wert von Einzel-GdB 10 wird bei der Bildung des Gesamt-GdB komplett ignoriert/ausgeklammert.
Wenn du noch andere gesundheitliche Probleme hast, du schreibst von deinen Rückenproblemen, ist es sehr hilfreich wenn du weitere Diagnosen & Arztberichte hast, die auf eine Funktionseinschränkungen im Alltag abzielen. Außerdem habe ich selbst, wie Caejaeg schreibt, sehr gute Erfahrungen mit meinen eigenen Darstellungen meiner Probleme gemacht, da Arztberichte oftmals wenig aussagekräftig sind, wie dich deine Behinderung im Alltag einschränkt.
Die schreibst, dass Du deine Arztbesuche in den letzten Jahren vernachlässigt hast. Dieses ist sehr problematisch für die GdB Beantragung, da die Ämter dann davon ausgehen, dass es wohl nicht so schlimm ist, d.h. kein Leidensdruck besteht. Ich kann dir dringend empfehlen, regelmäßig, zumindestens alle paar Monate, bei einem Facharzt zum jeweiligen Gebiet vorstellig zu werden, selbst wenn er dir nur mit Inkontinenzmaterial- oder Physiotherapierezepten helfen kann. Du brauchst eine aktuelle und idealerweise mehrmonatige Arztbesuchhistorie, da der erteilte GdB auch eine Prognose für die Zukunft ist (der GdB wird immerhin für mehrere künftige Jahre vergeben - tlw. sogar unbefristet bis zum Lebensende)
Ab einem Einzel-GdB von 30 kannst du beim Arbeitsamt die Gleichstellung beantragen, welche dir einen verbesserten Kündigungsschutz gibt. Zusätzliche Urlaubstage oder eine frühere Altersrente gibt es erst ab einem Gesamt-GdB von 50. Dennoch kann sich der Gleichstellungsantrag lohnen, falls Du in der Arbeit Probleme haben solltest. Aber auch so ist das eine nette zusätzliche Absicherung für mögliche arbeitsrechtliche Probleme, die es noch nicht gibt. Manche Arbeitgeber sind zudem modern und haben eine Inklusionsvereinbarung mit dem Betriebsrat abgeschlossen, durch die du weitere arbeitsrechtliche Nachteilsausgleiche (nur) als gleichgestellter oder schwerbehinderter Mitarbeiter in Anspruch nehmen kannst. Bei uns gibt es z.B ein Recht auf Home Office für gleichgestellte & schwerbehinderte MA, d.h. ich habe dank der Inklusionsvereinbarung und meinem "Status" einen rechtlich durchsetzbaren Anspruch bekommen und muss nicht nicht mehr mit meinem direkten Chef dazu rumschlagen. Außerdem kann ich z.B. bei Dienstreisen die 1. Klasse buchen und nicht mehr nur die 2. Klasse. Das sind somit echte Argumente, zumindestens die Gleichstellung zu beantragen.
In jedem Fall würde ich Dir raten, einen Antrag auf Festellung eines GdB zu stellen, da mit dem GdB auch Steuervorteile und weitere Nachteilsausgleiche einhergehen. Diese gibt es bereits ab GdBs von 10 aufwärts und steigern sich mit jeder Stufe.
Da die Ämter gerne mal niedrig reingehen mit der Anerkennung der Gesundheitseinschränkungen kann ich jedem nur nahe legen, entweder eine Rechtschutzversicherung oder eine Mitgliedschaft bei einem Sozialverband, z.B. dem VdK, abzuschliessen. Ich habe mir zweimal im Widerspruchsverfahren vom VdK helfen lassen und konnte in jedem Widerspruch einen um 10 höheren Gesamt-GdB "herausholen". Es lohnt sich also! Der VdK ist günstig für wenige Euro im Jahr zu haben (ca. 80 Euro im Jahr) und die Leute, die da arbeiten, habe ich immer als versiert (d.h. eine echte Hilfe) wahrgenommen.
Außerdem kann ich dem Tipp weiter oben wegen der Hilfe durch deine zuständige Schwerbehindertenvertretung nur beipflichten. Ich wurde in meinem Betrieb selbst in die Schwerbehindertenvertretung gewählt und die Hilfe meiner Kollegen bei der Erstbeantragung ist Teil meiner "Aufgabenbeschreibung".
Viele Grüße
Stephan