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Vorstellung - Dranginkontinenz

20 Jul 2023 19:21 #1 von Sonja
Hallo, alle zusammen,

bevor ich Euch mit Fragen löchere, wollte ich mich doch erst vorstellen:

Ich bin weiblich, 48 Jahre alt und leide an Dranginkontinenz. (keine Belastungsinkontinenz)

Ich glaube, ich hatte schon immer eine sehr „energische“ Blase, aber wusste nicht, dass es nicht allen Menschen so geht und dachte, das wäre alles normal. (hatte als Erwachsene aber nie in die Hose gemacht)

Jetzt in den Wechseljahren hat sich das „Problem“ dramatisch verschlimmert.
Harndrang tritt total plötzlich und „unhaltbar“ auf. Ich muss mich dann sofort auf meine Ferse setzen oder meine U-Hose nach oben ziehen (keine Strategie die "gesellschaftsfähig" wäre). Meistens lässt sich der Drang dann nochmal „verschieben“, aber oft komme ich aus dieser Haltung nicht mehr weg ohne, dass ich mir in die Hose machen würde. (Kennt das Jemand?)
Was dann tatsächlich zu meinem Entsetzen auch schon passiert ist….

Da ich davon ausgegangen bin, dass mir vielleicht Östrogenzäpfchen helfen würden, bin ich zur Gynäkologin gegangen. Die verschriebenen Östrogene haben leider überhaupt nicht geholfen, auch Betmiga und Physiotherapie (Beckenbodentherapie) nicht.
Und wie soll man denn Toilettentraining machen, wenn der Drang von einer Sekunde auf die andere da ist und es dann (ohne „mechanisches Zuhalten“) einfach unhaltbar läuft???

Es wurde eine urodynamische Untersuchung gemacht, bei der alles in bester Ordnung war (Blasenvolumen 590 ml). Und nachts muss ich zum Glück auch nicht raus.

Habe ich vielleicht ein rein psychisches Problem? Wo bekäme ich damit Hilfe?

Außerdem sind mir bestimmte „Trigger“ aufgefallen, die immer zu imperativem Drang führen, (fast) egal wie voll meine Blase ist: z. B. wenn ich mit dem Rad aus der Arbeit nach Hause komme, kann ich nicht vom Sattel absteigen, ohne dass es sofort laufen würde, oder wenn ich Gäste verabschieden und zur Tür bringen möchte… Weiß jemand, wie man sich wieder „enttriggern“ kann?

Eigentlich hatte ich Anfang des Jahres (da „wusste“ ich noch nicht, wie massiv mein Problem ist) eine Mountainbike-Alpencross-Tour geplant und gebucht und mich wahnsinnig darauf gefreut… und dann beim Trainieren festgestellt, dass ich keinesfalls in der Gruppe in den Bergen (ohne Toilette) mitfahren kann… ich musste absagen und bin am Boden zerstört.
Ich hoffe so sehr, dass ich bis nächsten Sommer eine Lösung gefunden habe, um dann doch noch über die Alpen radeln zu können…..

Vielen Dank fürs geduldige Lesen und herzliche Grüße

Sonja

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21 Jul 2023 09:38 #2 von martinK
Hallo Sonja

Herzlich willkommen!

Bei mir liegt ebenfalls Dranginkontinenz vor, so dass ich den Harnfluss nicht zurückhalten kann und die Blase war auch immer aktiv. Als Kind war ich bereits eine Zeit lang inkontinent. Meine Blase zieht sich unkontrolliert zusammen und auch den Schliessmuskel habe ich nicht unter Kontrolle, was zu Harnverlust aber auch leider zu Restharn und manchmal zu Harnverhalt führt.

Du bist ja bereits in medizinischer Behandlung mit der Dranginkontinenz. Dass die Urodynamikuntersuchung keine Auffälligkeiten gezeigt hat, ist schon mal gut, und dass Du nachts nicht raus musst, deutet zumindest darauf hin, dass Deine Blase nicht sonderlich überaktiv ist. Betmiga wie auch andere Medikamente haben bei mir auch nicht geholfen oder hatten zu starke Nebenwirkungen und nur begrenzte positive Wirkung. Wurden bei Dir weitere neurologische Untersuchungen durchgeführt? Eventuell könnte sakralen Nervenstimulation helfen. Wurdest Du darauf angesprochen?

Es kann sein, dass es psychische Gründe für die Inkontinenz gibt, ich merke schon, dass Stress und Anspannung die Situation verschlechtern. Hast Du Schmerzen im Beckenbodenbereich oder fühlt er sich verkrampft an? Ebenfalls merke ich, dass es besser ist, wenn ich regelmässig weniger trinke statt viel auf einmal. Das ist manchmal schwierig, da ich wie Du mich gerne bewege, Sport treibe und so einen erhöhten Flüssigkeitsbedarf habe. Der Sinn des Toilettentrainings besteht meines Wissens nach darin, die Blase so zu trainieren, dass Du zu von Dir bestimmten Zeiten entleeren kannst und dazwischen Ruhe hast. Ich habe zwei Monate lang erfolglos versucht, mir einen Rhythmus anzutrainieren, aber es gibt durchaus auch Fälle, bei denen dies funktioniert. Wie oft spürst Du den Harndrang?

Bitte lass Dein Leben nicht von der Inkontinenz steuern! Betroffene nehmen aus Angst vor „Unfällen“ oft an Aktivitäten nicht teil unf trauen sich nichts mehr zu unternehmen. Das ist sehr schade und meiner Meinung nach auch kontraproduktiv, gerade wenn die Psyche mit ein Grund für die Inkontinenz ist. Es gibt saugende Hilfsmittel, die sich wie eine Unterhose anfühlen, die Haut vor Nässe schützen, nicht auffallen und auch den Uringeruch zurückhalten. Beim Sport verliere ich zwar regelmässig kleine Mengen, aber ich kann dank der „Inkontinenzpants“ mehre Stunden lang Sport treiben ohne Angst vor nassen Hosen haben zu müssen. Auch mein Alltag verläuft dank der Hilfsmittel völlig normal, ausser, dass ich zum Glück nur selten den Stuhldrang schlecht unter Kontrolle bringe. Dann muss ich wie Du mich auf die Fersen setzen und hoffen, dass der Drang nachlässt und ich es rechtzeitig zur nächsten Toilette schaffe….:( .

Herzliche Grüsse
Martin

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21 Jul 2023 16:19 #3 von Helmut 60
Hallo Sonja,

auch von mir ein herzliches willkommen!

bei mir (63, m) liegt eine kombinierte Tröpfel- und Dranginkontinenz vor, wobei der Drang nicht nur zu bestimmten Anlässen, sondern auch "aus heiterem Himmel" sehr schnell sehr stark (und unaufhaltsam) wird.

Auf die medizinischen Hintergründe möchte ich nicht weiter eingehen, hier sind Arzt/Urologe die einzig richtigen Ansprechpartner, hier bist du ja bereits in Behandlung (hoffentlich mit Erfolg!)

Ich möchte - ähnlich wie Martin - auf die Möglichkeit hinweisen, mit Hilfe von aufsaugenden Inkontinenzmitteln trotz Dranginkontinenz dein normales Leben mit nur sehr wenigen Einschränkung weiterführen zu können. Ich habe die für mich bezüglich Art, Saugstärke und Passform (je nach Situation) optimal passenden Hilfsmittel gefunden, welche angenehm zu tragen und für andere (passende Kleidung vorausgesetzt) absolut unsichtbar sind.

Ich finde es wesentlich besser, anstatt mein Leben um meine Inkontinenz, mögliche "Unfälle" und die Nähe zu Toiletten herum zu arrangieren, adäquate Hilfsmittel zu tragen (und gegebenenfalls zu benutzen) und dafür mein "normales" Leben mit allen Aktivitäten, Sport, Reisen etc. weiter zu führen! Glücklicherweise ist bei mir ausschließlich die Blase betroffen, so dass sich das Ganze sehr einfach und unauffällig managen lässt!

Es mag anfänglich schwierig sein, sich mit dieser Idee zu arrangieren - leider besteht für viele Menschen eine gewisse Scheu oder Scham, sich mit diesen Produkten auseinanderzusetzen, solche zu besorgen, verschieden Alternativen durchzuprobieren, aber letztendlich kann dies dein Leben um vieles angenehmer machen!

Viele Grüße
Helmut

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21 Jul 2023 17:47 #4 von MichaelDah
Hallo Sonja,

willkommen im Forum. Du hast ja schon einiges versucht und das ist ja schon mal ein guter Anfang. Es ist leider nicht immer so ganz einfach die Gründe für das Problem heraus zu finden. Die Tatsache das eine UD unauffällig war, bedeutet prinzipiell erstmal noch nicht, das da sicher nichts ist.

Wir sind hier keine Ärzte - wie Helmut ja schon geschrieben hat, aber ich denke einige von uns könne aus der Erfahrung heraus ein paar Tipps geben wonach man vielleicht beim Arzt oder sich selber fragen sollte. Mir würden nach dem was du geschrieben hast die folgenden Fragen einfallen:

1) Ist die UD im liegen, im sitzten oder im stehen gemacht worden?

2) Ist die UD in der Position gemacht worden in der das Problem normaler weise auftritt?

3) Könnte es sein, das dein Problem vorrangig beim Positionswechsel (sitzend oder liegend nach stehend) auftritt?

4) Gibt es irgend ein Ereignis an dem du die Verschlechterung der Situation konkret festmachen kannst oder war das eher eine „schleichende“ Entwicklung?

Zu deinen Fragen:

Blasentrainig ist definitiv eine gute Idee. Wenn du Sorge hast das es beim Training schief geht, kannst du dir ein Hilfsmittel von deiner Ärztin verschreiben lassen. Damit fühlt man sich dann erstmal deutlich sicherer und kann entspannter üben. Am besten fragst du sie was du da am besten nehmen kannst - das kommt immer drauf an wie viel du verlierst wenn es schief geht.

Was die Trigger angeht ist die Antwort nicht ganz so einfach. Es gibt prinzipiell mindestens zwei Arten von Triggern die unterschiedlich wirken: Physische und Psyschiche. Physisch wäre es z.B. wenn du nach dem Aufstehen oder nach Erschütterungen Harndrang bekommst. Die Ursache liegt hier entweder in der Erhöhung des Blasendrucks (durch die Lageverändeurng) oder in einer Nervenreizung. Die klassischen psychischen Trigger sind der Wasserhahn oder das aufschließen der Wohnungstür.

Mit beiden lässt sich unterschiedlich umgehen. Die physischen kann man ggf. dadurch vermeiden das man z.B. etwas langsamer aufsteht oder bestimmt Dinge halt anders macht (vielleicht nicht mit dem Rad über das Kopfsteinpflaster). Generell kann man beide oft durch Training aushalten oder auch austricksen.

Im Prinzip musst du ja nur etwa 30 Sekunden überstehen, denn dann verschwindet der Drang meistens erstmal wieder. Prinzipiell hilft dir an dieser Stelle tatsächlich zunächst Beckenbodentraining, denn wenn du es schaffst die 30 Sekunden „zuzukneifen“ ist eigentlich alles wieder gut und du hast wahrscheinlich so ca. 10 Minuten gewonnen um zur Toilette zu gehen. Wie gut das funktioniert und wie fit dein Beckenboden wirklich ist kannst du auch ohne Drang mit einer Stoppuhr ausprobieren. Vielleicht hast du ja auch noch einen Beckenboden Trainer mit Biofeedback - damit kannst du messen ob du es schafft die 30 Sekunden die Muskelspannug aufrecht zu halten. Leider ist das bei einigen Geräten nur mit umprogrammieren möglich (üblicher weise arbeiten die mit 8 sek. Anspannung und Entspannung), aber da kann ggf. auch die Ärztin oder der Kundendienst helfen.

Ein weiterer Ansatzpunkt ist der, das unser Körper nicht wirklich „Multitasking“ fähig ist und sich gerne ablenken lässt - insbesondere dann wenn sich verschiede physische Reize überlagern. Der klassische Beispiel dafür ist z.B. der Dieb der dich anrempelt und dabei unbemerkt die Brieftasche klaut. Diesen Effekt kannst du dir zunutze machen, indem du den Drang mit etwas anderem überlagerst. Bei mir hatte es mal geholfen wenn ich mir die Achillessehne massiert habe. Aber da hat wahrscheinlich jeder seine eigenen Techniken. Das funktioniert so lange gut wie du den Schließmuskel in der Situation noch willentlich betätigen kannst - was wenn ich das richtig verstanden habe ja der Fall ist.

Vielleicht hat es ja ein paar Ideen gebracht.

viele Grüße
Michael

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21 Jul 2023 21:28 #5 von Sonja
Hallo Martin, hallo Helmut, hallo Michael,

ganz herzlichen Dank für Eure aufmunternden Worte und Erfahrungen und Tipps! Das finde ich wirklich sehr lieb von euch, dass ihr für fremde Menschen Eure Zeit opfert und euch über deren Probleme Gedanken macht!

Ich war zwar bei einer Gynäkologin, aber ich hatte leider nicht das Gefühl, dass ich dort gut aufgehoben bin.

Würde gerne einen Termin in einem Kontinenz-Zentrum machen – finde aber nur Beckenboden-Zentren in meiner Nähe. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass mit meinem Beckenboden alles in Ordnung ist (3 Kinder, 3x Rückbildung). Trotzdem hab ich in der Physio-Therapie Beckenboden-Übungen „gelernt“, die ich seit ein paar Wochen brav mache. Kann meinen Beckenboden gut und lange anspannen und auch bewusst wieder entspannen.

Ich denke, das Problem liegt eher darin, dass sich die Blase (Detrusor) unkontrolliert zusammenzieht. (Warum auch immer?) Und das passiert meistens so ab ca. 100 ml Blasenfüllung zum ersten Mal. Aber auch dann MUSS ich mich sofort „Hinhocken“, weil es sonst in die Hose geht. Da ist nix zu machen mit Ablenkung oder „Zusammenkneifen“ (Probiere und kämpfe schon fast 1 Jahr – jeden Tag). Aber es stimmt, dass nach ein paar Sekunden (meistens) der Harndrang wieder verschwindet und dann kann das Ganze für längere Zeit gut gehen oder aber schon bald wieder kommen… und irgendwann hilft das Hinhocken nicht mehr und wenn ich dann aufstehe – läufts.

Außerdem weiß ich nie, wie „schnell“ meine Nieren arbeiten: Manchmal produzieren sie in 3 Stunden keine 100 ml, und manchmal in 30 Min. 300 ml. (Natürlich ist das abhängig von der Trinkmenge, aber die ist bei mir eigentlich relativ konstant bei 1,5 Litern am Tag.) Wie ist das bei euch mit der Harnmenge pro Stunde? Auch so unterschiedlich oder konstanter?

Hilfsmittel hab ich mir gleich besorgt, als ich noch dachte ich würde über die Alpen radeln. Aber ich glaube 4 Stunden im Sattel würde keine volle Windel Stand halten. Außerdem - ich weiß nicht wie ich es beschreiben soll- aber ich „kann“ irgendwie nicht „einfach so“ in die Hose/ Pants machen. Habs schon ausprobiert bei Radtouren. Bei starkem Harndrang fang ich an zu Schwitzen und kann nicht mehr klar denken. Das ist ein ganz seltsamer und schrecklicher Zustand! Selbst unter der Dusche – wo es ja nun wirklich egal wäre, wenns einfach läuft- kann ich nicht anders als mit allen Mitteln dagegen anzukämpfen…

@ Michael: Die UD wurde im Sitzen durchgeführt. Ich finde deine „Frage“ nach Positionswechseln als mögliche Auslöser sehr interessant. Da werde ich in Zukunft mal mehr drauf achten, ob da ein Zusammenhang besteht. Mir kommt es eh so vor, dass die Abstände zwischen den TGs länger sind, wenn ich lange „sitze“ (z. B. vor dem PC).

@Martin: Was gäbe es denn noch für mögliche neurologische Untersuchungen?

Sorry, für den langen Text, aber irgendwie hab ich das Gefühl, das Schreiben hilft mir die ganze Situation für mich ein bißchen zu sortieren….

Herzliche Grüße
Sonja

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21 Jul 2023 23:00 #6 von stephanw
Hallo Sonja,

ich bin ebenfalls von Dranginkontinenz Betroffener. Bei mir ist es so, dass ab ca. 150ml Blaseninhalt starker Harndrang einsetzt, den ich ab ca. 250ml nicht mehr halten kann. Restharn liegt bei 100ml. Habe also quasi dauernd Harndrang. Bei mir liegt das sehr wahrscheinlich an meiner vergrößerten Prostata.

Wegen Therapiemöglichkeiten bestünde bei einer Drangindikation noch die Möglichkeit einer Botoxinjektion. Dadurch wird die Blase ruhig gestellt und man hat idealerweise weniger bis keine Drangphasen mehr, gerade da es autonome Detrusorkontraktionen unterbindet. Leider lässt Botox nicht sehr gut dosieren, sodass es zu zuwenig (keine Wirkung) oder zuviel (Führt zu Harnverhalt) führen kann. Hier im Forum gibt es einige, die die Behandlung haben durchführen lassen haben. Manche sind super zufrieden und können ein Leben ohne Vorlagen/Windeln führen, bei anderen war es ein Fiasko, d.h. Harnverhalt mit mehrmaliger Katheterisierung am Tag. Nach ein paar Monaten lässt die Wirkung allerdings nach, sodass es durchaus ein Versuch wert sein kann. Ich selbst habe das bei mir letztlich nicht durchführen lassen, da meine Kathetererfahrungen sehr negativ waren und ich mir nicht vorstellen kann, mich per ISK mehrmals am Tag zu katheterisieren. Ich vertraue auf aufsaugende Hilfsmittel, was auch nicht optimal ist, aber relativ nebenwirkungsarm sind. Am Ende ist es eine höchstpersönliche Abwegung und wie man mit dem Risiko "ISK" umgeht.

Wegen Nutzung von aufsaugenden Hilfsmitteln: Ich benutze mittlerweile selbst zu Hause entsprechende Hilfen. Dadurch, dass ich quasi dauernd Harndrang habe und ich nicht abschätzen kann, wann ich den nicht mehr unterdrücken kann (bei mir geht das sehr schnell, nach ca. 30 Sekunden starkem Harndrang kann ich den Urin nicht mehr halten und er geht ab), wollte ich mir den Stress nicht mehr antun. Mit der Zeit gewöhnt man sich dran, auch was die Benutzung des Hilfsmittels angeht. Ich versuche so gut es geht dennoch Freizeitaktivitäten zu machen, wobei ich wegen eines Verkehrsunfalls (hat nichts mit der Inko zu tun) eine posttraumatische Belastungsstörung habe und auch wegen Depressionen psychisch angeschlagen bin. Es ist also ein andauernder Kampf, der jeden morgen wieder von vorne losgeht. Aber auch das wird mittlerweile etwas besser. Aber Fahrradfahren geht definitiv auch mit Pant/Windel/Vorlage und eine Gelegenheit zum Wechseln gibt es auch öfter, als man denkt.

Grundsätzlich empfehle ich jedem, der mit der Inko nicht gut umgehen kann, sich auch psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ich bin seit mehreren Jahren in Behandlung (Psychotherapie + Antidepressiva) und das hilft mir sehr. Ohne der Unterstützung wäre mein Zustand sicherlich sehr viel schlechter.

Viele Grüße
Stephan
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22 Jul 2023 13:19 #7 von Helmut 60
Hallo Sonja,

deine Drangsymptomatik ist gar nicht weit von meiner entfernt. Wenn bei mir ein Drang kommt (15x / Tag +/- und häufiger) und ich versuche, den zu halten, habe ich eine 50/50 Chance, dass entweder der Drang nach einigen Sekunden nachlässt (bis zum nächsten Mal...) oder aber binnen Sekunden sehr stark bis schmerzhaft wird und es kein Halten gibt.
Ich trage also - wie Stephan - eigentlich immer Windeln (tagsüber Hüftgurtwindeln), die ich aber auch sehr schnell und einfach öffnen und wieder verschliessen kann, wenn es doch mit der Toilette passt (bzw. grundsätzlich immer fürs "große Geschäft", hier habe ich glücklicherweise keinerlei Probleme). Ansonsten benutze ich diese natürlich auch, ich fände es wesentlich unangenehmer urplötzlich und immer wieder Gespräche, Telefonkonferenzen, intensive Arbeitsphasen etc. abzubrechen oder zu unterbrechen um dann zur Toilette zu stürmen (und oft auch noch erfolglos weil eh zu spät...). Dies war zu Beginn meiner Inkontinenz (vor 1 1/2 Jahren) noch etwas anders, anfangs hatte ich noch versucht, wann immer irgend möglich, die Toilette aufzusuchen - bis mir selbst (und meiner Frau) auffiel, dass ich eigentlich permanent um meine Inkontinenz kreiste und mein Leben komplett danach ausrichtete. Die (Selbst-) Toleranz, adäquate Hilfsmittel anzunehmen und letztlich auch "locker" bestimmungsgemäß zu verwenden, ist nicht von einen auf den anderen Tag zu erreichen, meine Frau hat mich dabei aber psychisch sehr unterstützt und bestärkt, das zu tun, was mir das Leben am meisten erleichtert; für sie ändere sich nichts dadurch, welche Art Unterwäsche ich trage - und seitdem hat sich mein tägliches Leben eigentlich total normalisiert. Auch lange Fahrradtouren (bis über 6 Stunden) oder Wanderungen und viele andere Freizeitaktivitäten sind mit entsprechenden, hochwertigen Windeln absolut problemlos möglich!

Natürlich hatte auch mein Arzt mit mir Behandlungsmöglichkeiten besprochen - Medikamente, die den Drang (bis zu einem gewissen Grad) unterdrücken, aber auch Botox-Behandlung hatten wir durchgegangen. Für mich persönlich haben jedoch die Nebenwirkungen bzw. Risiken den möglichen Erfolg - zumindest zur Zeit - nicht rechtfertigt. Ich habe persönlich kein Problem damit, meine Inkontinenz mit entsprechenden Hilfsmitteln zu managen, habe keinerlei Nebenwirkungen damit, niemand anders (außer meiner direkten Familie) sieht oder bemerkt etwas davon. Auch mein Arzt hat diese Überlegungen durchaus nachvollziehen können und mir letztlich zugestimmt. Wenn sich für mich irgendetwas daran ändert, werde ich sicherlich diese Wege noch ausprobieren!
Andere mögen das vollkommen anders beurteilen. es gibt durchaus Betroffene, die alles erdenklich Mögliche auf sich nehmen, um keinesfalls auf Windeln angewiesen zu sein, was natürlich genauso legitim und valide ist.

Das Wichtigste aber, Sonja, ist es herauszubekommen, was bei dir die Ursache für deine Probleme sein könnte und zumindest sicherzustellen, dass keine andere, ernsthafte Erkrankung dahintersteckt, die unbedingt behandelt werden müsste (was du ja auch schon angegangen bist). Ich glaube aber nicht, das deine Gynäkologin hier die letzte Instanz ist.

Wenn dir das Schreiben darüber hilft, mit deiner Situation besser klar zu kommen, ist dieses Forum doch exakt das Richtige - genau dafür ist es da! Zu erkennen, dass du nicht alleine mit diesen Problemen bist sondern dass es noch viele andere Menschen gibt, denen es ähnlich geht, ist eine große Erleichterung und wir alle können von unseren jeweiligen Erfahrungen und verschiedenen, manchmal auch durchaus kontroversen Sichtweisen nur profitieren!

Liebe Grüße
Helmut
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22 Jul 2023 22:00 #8 von MichaelDah
Hallo Sonja,

danke für dir Rückmeldung :-). Deine Idee sich an ein Kontinenzzentrum zu wenden finde ich gut - ich denke das bringt deutlich mehr als alle möglichen Ärzte da rumdoktern zu lassen.

Hier kannst Du nach zertifizierten Zentren und Spezialisten suchen: www.kontinenz-gesellschaft.de/expertensuche/

Bei dem was du schreibst sind mir noch ein paar Sachen aufgefallen:

1) Du schreibst, du weist nicht wie schnell deine Nieren arbeiten. Ich habe das am Anfang auch gedacht. Im Ergebnis waren das dann aber bei mir nicht die Nieren sondern ganz simple unterschiedliche Mengen von Restharn die in der Blase geblieben sind und damit das „Arbeitsvolumen“ teilweise deutlich herab gesetzt haben. Wie oft wurde den schon bei dir in der Zeit seit das Problem besteht schon der Restharn bestimmt?

1a) Auch in diesem Zusammenhang: Hast du öfter Probleme mit Blasenentzünungen?

2) Kannst du auf der Toilette immer sofort Wasser lassen oder klappt das manchmal nur mit Anlaufschwierigkeiten?

Zu dem Betmiga vielleicht noch eine Fragen: Wie lange hast du das genommen bevor du es wegen Wirkungslosigkeit wieder abgesetzte hast?

Zum Drang im Sitzten: Im sitzen und im liegen sind die Druckverhältnisse in der Blase anders (niedriger) als beim stehen. Deshalb ist es erstmal logisch das du im sitzen oder im liegen den Drang später merkst als im stehen. Beim laufen ist es noch mal anders weil das ganze dann noch „dynamisch“ wird und dein Körpergewicht rhythmisch auf die Blase drückt.

Wenn bei der UD im sitzen 590ml Blasenvolumen gemessen wurden kann es durchaus sein, dass es beim laufen nur noch 400ml sind. Deshalb währe es bei der UD interessant gewesen zu sehen was passiert währe wenn du am Ende der UD nicht einfach in dem Topf gepieselt hättest sondern aufgestanden währst und versucht hättest den Inhalt zu halten. Damit hätte man zwar nicht mehr die Druckverhältnisse genau messen können (das ist höhenabhängig) aber man hätte in jedem Fall die mögliche Detrusor(über)aktivität und die möglicherweise folgende Inkontinenzepisode gesehen und aufgezeichnet.

Von daher vielleicht als Tipp für das nächste mal: Eine UD bringt deutlich mehr, wenn sie die tatsächliche Alltagssituation so gut wie möglich abbildet. Das ist in einem Laborsetting nicht immer einfach - aber wenigsten so simple Dinge wie einen Positionswechsel kann man ausprobieren. Man wird da selten zu aufgefordert - aber man kann das im Vorfeld selber sagen und darum bitte, das es probiert wird.

Ob es in deinem Fall tatsächlich Sinn macht sofort die neurologischen Untersuchungen durchzuführen weiß ich nicht - ich hätte da eher Zweifel - allerdings bin ich auch kein Arzt. Ich persönlich würde eher darüber nachdenken die Fragen in einem Kontinenzzentrum noch mal zu stellen und wenn die noch eine UD machen wollen darum zu bitten das sie unter realistischeren Bedingungen durchgeführt wird in der Hoffnung, dass man dann mehr sieht. Je nach dem was dabei rauskommt hat man dann eine Idee für die Ursache. Unter umständen wird man dann die Diagnostik noch erweitern und entweder eine Blasenspieglung oder MRT‘s von Kopf und Wirbelsäule machen.

viele Grüße
Michael

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23 Jul 2023 00:18 #9 von martinK
Hallo Sonja

Die Diskussion mit Dir ist auch für mich fruchtbar. Der Austausch mit anderen Betroffenen, die ein ähnliches Problem haben, hilft mir!
  • Beckenbodenübungen könnten vor allem hinsichtlich Entspannung sinnvoll sein. Ich habe ein ähnliches Problem wie Du; die Übungen klappen gut, dennoch habe ich Entleerungsstörungen. D.h. die Übungen werden Dein Problem vermutlich nicht lösen, aber dennoch helfen, dass Du im Fall von Harndrang besser auf diesen reagieren kannst.
  • Hilfsmittel beim Sport: Ich fahre oft 1-2 h mit Hilfsmitteln für schwere Inkontinenz (Windeln oder Pants) Fahrrad und sie halten das aus. Möglicherweise hängt dies von der Wahl des Produkts und von der Person ab, da musst Du einfach Erfahrung sammeln. Ebenfalls trage ich über dem Hilfsmittel immer eine Sportunterhose; dadurch sitzt es besser und wird weniger beansprucht. Zudem versuche ich, vor dem Sport zu entleeren, so dass ich ca 1 h Ruhe mehr oder weniger Ruhe habe. Manchmal katheterisiere ich mich auch. [\li]
  • Eigentlich ist es ja ein gutes Zeichen, dass Du Dich gegen eine unkontrollierte Entleerung strebst, dies entspricht ja auch dem menschlichen Naturell. Ab einem gewissen Punkt geht‘s aber nicht mehr, und dann hilft das Hilfsmittel. Ich kann Dir da nicht wirklich einen Tipp geben, ausser vielleicht, ein Hilfsmittel zu tragen, ohne sich darauf zu versteifen, es zu benutzen, gleichzeitig aber Deine Inkontinenz zu akzeptieren. Gib Dir da Zeit dafür! Mir haben die Hilfsmittel sehr geholfen, ein entspannteres Leben zu führen. Eine Zeit lang habe ich meinen Alltag so geplant, dass immer eine Toilette in der Nähe sein musste, auch wenn ich Pants trug. Auf die Dauer ging das einfach nicht. Meiner Meinung nach ist es extrem wichtig, dass die Inkontinenz Dich in Deinen Wünschen und Plänen nicht einschränkt. Ich mache lieber ins Hilfsmittel ein, als dass ich auf Sport, Kino oder einen Abend mit Freunden verzichte. Die Inkontinenz ist bei mir wie es scheint aber auch ausgeprägter als bei Dir, heute würde ich ohne Kleiderschutz nicht funktionieren.[\li]
  • Wie Michael geschrieben hat, wäre eine Betreuung vom einen Kontinenzzentrum oder Neurourologen/in sinnvoll. Dort könntest Du nicht nur eine Verordnung für eine neurologische Untersuchung sondern auch Vorschläge zur Behandlung der Dranginkontinenz erhalten (Nervenstimulation andere Medikamente,…). Betreffend neurologischer Untersuchung würde es schon helfen, Deine Symptome und Deine Anamnese mit Spezialisten zu besprechen. Alles weitere ergibt dich dann.
  • Die Urodynamik ist eine gestellte Untersuchung; d.h. sie reflektiert nur bis zu einem gewissen Grad die Realität, egal, wie sie durchgeführt wird. Die Untersuchung im Sitzen wird als beste Situation betrachtet, aber mir behagt sie nicht…
  • Bei mir ist die Entleerungsfrequenz auch sehr unregelmässig; manchmal muss ich 2-3 Mal in einer Stunde Wasser lassen, manchmal habe ich einige Stunden lang Ruhe; bzw. bin beunruhigt, dass sich die Blase nicht meldet. Das macht sie Sache natürlich nicht einfacher. Ich habe nur ein paar Mal meine tägliche Entleerungsmenge gemessen. Unabhängig von der Anzahl Miktionen lag sie stets zwischen 2 und 2.5 Litern pro 24 h. [\li]

Herzliche Grüsse
Martin

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