Lieber Martin,
ich freue mich sehr, dass es dir mittlerweile wieder besser geht. Dennoch möchte ich darauf hinweisen, dass die Einnahme von Antibiotika, die du noch zu Hause hast, nicht besonders ratsam ist. Antibiotika führen schnell zu Resistenzen und sollten gezielt ausgewählt werden, da wahlloser Einsatz Resistenzen besonders begünstigt. Wenn sie dann bei anderen Symptomen wirken sollen, kann ihre Effektivität stark beeinträchtigt werden. Solche Medikamente sollten nicht ohne ärztliche Rücksprache eingenommen werden, nur weil du noch welche vorrätig hast.
Insgesamt betrachte ich deine Situation mit den wiederkehrenden Infektionen als unbefriedigend. In deinen Aussagen oder sogar in den Überschriften kann der Eindruck entstehen, dass der ISK der Auslöser ist. Sicherlich ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass du dir durch den ISK die Bakterien in die Blase bringst. Die viel interessantere Frage ist jedoch, warum diese Bakterien überhaupt vorhanden sind und wie die Keimbelastung entsteht sowie wie man diese reduzieren oder minimieren kann. Der Katheter selbst ist ja nicht kontaminiert, daher müssen andere Faktoren eine Rolle spielen.
Neben dem ISK verwendest du ja auch saugfähige Hilfsmittel. Allein dies könnte bereits zu einer erhöhten Bakterienkultur führen. In einem feuchtwarmen Milieu vermehren sich diese nämlich hervorragend. Du wirst wohl kaum umhinkommen, ein saugfähiges Hilfsmittel neben dem ISK zu verwenden, doch vielleicht lässt sich das Risiko verringern. Ein häufigerer Wechsel des Hilfsmittels und mehr Atmungsaktivität könnten hilfreich sein.
Alles was “Brutkasteneffekte” erzeugt, sollte vermieden werden. Dazu zählen beispielsweise PVC Überhosen oder auch eng anliegende Kleidung.
Zudem sollte die Hygiene durch gründlichere Desinfektion optimiert werden, wobei vor allem die Einwirkzeiten berücksichtigt werden müssen. Man sollte auch die Relation der Bakterien mit den Herstellerangaben zur Desinfektion betrachten. Wenn der Hersteller des Desinfektionsmittels angibt, dass es 99,9 % der Bakterien abtötet, bedeutet das, dass bei einer Milliarde Bakterien immer noch 0,1 % übrig bleiben, was einer Million entspricht.
Infektionen beim intermittierenden Selbstkatheterismus (ISK) können durch sorgfältige Hygiene und Desinfektionsmaßnahmen signifikant reduziert werden. Spezifische Schritte und Desinfektionsmittel, die helfen können, die Keimzahl zu senken und das Infektionsrisiko zu minimieren:
Allgemein:
- Hände waschen: Vor dem Katheterisieren sollten die Hände gründlich mit Wasser und Seife gewaschen werden. Es kann auch hilfreich sein, ein alkoholbasiertes Handdesinfektionsmittel zu verwenden.
- Reinigung der Umgebung: Die Katheterisierungsumgebung sollte sauber und möglichst steril gehalten werden.
Desinfektion der Harnröhrenöffnung:
1. Der Bereich um die vordere Spitze des Penis, einschließlich der ersten Zentimeter der Harnröhre, sollte gereinigt und desinfiziert werden. Es gibt spezielle Instalgels die man vor dem katheterisieren in die Harnröhre einbringt und die gerade auf den ersten ein, zwei Zentimetern der Harnröhre desinfizierend wirken.
Diverse Hersteller bieten auch Katheter mit sogenannter Vorlaufspitze, sodass der Katheter den ersten Zentimeter der Harnröhre gar nicht berührt und folglich von dort auch keine Bakterien in die Harnröhre oder Blase eingebracht werden können.
2. Nach der Reinigung empfiehlt es sich, ein Desinfektionsmittel aufzutragen. Geeignete Desinfektionsmittel enthalten häufig Povidon-Iod oder Chlorhexidin, da diese effektiv gegen eine Vielzahl von Bakterien und Viren sind. Alternativ kann auch ein alkoholisches Desinfektionsmittel verwendet werden, das für Schleimhäute geeignet ist.
Vorhautpflege: Ein wichtiger Risikofaktor beim Mann ist die Vorhaut. Männer mit Vorhaut sollten besonders darauf achten, die Vorhaut vollständig zurückzuziehen und die darunter befindlichen Regionen gründlich zu reinigen und zu desinfizieren.
Regelmäßige Kontrolle und ärztliche Beratung: Es ist wichtig, sich regelmäßig medizinisch beraten zu lassen, besonders wenn wiederholt Harnwegsinfektionen auftreten. Ein Arzt kann spezifische Empfehlungen basierend auf individuellen Gesundheitszuständen geben und gegebenenfalls alternative Maßnahmen oder Medikamente verschreiben.
Zusammengefasst kann eine Kombination von gründlicher Reinigung, der richtigen Desinfektion und sorgfältiger Handhabung des Katheters sowie der Pflege der Vorhaut das Infektionsrisiko beim intermittierenden Selbstkatheterismus erheblich verringern.
Eine eigenständige Behandlung einer Infektion mit einem beliebigen Antibiotikum kann, wie du beschrieben hast, zwar hilfreich und effektiv sein, jedoch besteht die Gefahr, dass die Wirksamkeit durch sich entwickelnde Resistenzen rasch abnimmt. Darüber hinaus ist ein Antibiotikum zwar ein Medikament mit bedeutendem Nutzen, bringt jedoch auch erhebliche Nachteile mit sich. Dein Darm wird darüber sicherlich nicht erfreut sein. Es ist also meiner Meinung nach keine dauerhafte Lösung.
Meine Gedanken...
Gruß
Matti