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file Frage Langzeiturodynamik

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1 Monat 3 Wochen her #52205 von martinK
Langzeiturodynamik wurde erstellt von martinK
Hallo zusammen

Ich hatte heute meine ambulante Langzeiturodynamikuntersuchung und möchte darüber berichten:

Die Untersuchung fand an der Universitätsklinik Balgrist in Zürich statt. Ich traf die Ärzte und Pflegefachpersonen zum ersten Mal, entsprechend gab es zuerst eine Grunduntersuchung und ein Anamnesegespräch. Ebenfalls wurde mein Blasetagebuch, welches ich im Juli erstellt hatte, besprochen.

Danach wurden dieselben Sensoren wie bei einer Standardurodynamikuntersuchung angebracht: Ein dünner Blasenkatheter für die Messung des Detrusordrucks, zwei Elektroden im Genitalbereich der Oberschenkel als EMG-Referenz und ein Drucksensor im Anus für den Abdomendruck. Als Unterschied wurde kein Füllkatheter eingeführt und die Kabel wurden an ein portables Gerät angeschlossen, welches mit einem Gurt an meine Hüfte befestigt wurde. An diesem Gerät war über ein längeres Kabel ein primitives Eingabegerät mit Druckknöpfen angebracht. Dort konnte ich über das Drücken von Zahltasten eingeben, wenn ich z.B. Harn verlor (1), Harndrang spürte (2), Schmerzen hatte (6?) oder kontrolliert Urin liess (5). Die Verkabelung am Körper war etwas gewöhnungsbedürftig, aber wie bei der stationären Urodynamik spürte ich vor allem den Katheter.

Auch wenn einiges nicht klappte, war die Messung für mich Gold wert: Im Gegensatz zur stationären Urodynamik wurde mein übliches Entleerungsverhalten recht gut wiedergegeben. Während bei der stationären Messung mein Blasenschliessmuskel „zu macht“ und die Entleerung - falls überhaupt - erst im hyperkapazitiven Bereich der Blase stattfindet, wurde meine im Alltag erlebte Dranginkontinenz gut reflektiert. Ich spürte den Harndrang mehr als üblich, merkte nun aber auch, dass ich auch bei Harndrang den Verlust nicht verhindern kann. (Positiv) überraschend für mich war, dass das Signal der Drucksensoren kaum von meiner Körperposition abhing. Ich bewegte mich bewusst flüssig und langsam, dennoch hatte ich erwartet, dass meine Bewegung mehr Einfluss auf das Signal haben würde.

Trotz des Erfolgs gab es zwei Probleme:
- Es gibt nicht viele Kliniken, welche diese Untersuchung anbieten, zumal der Aufwand sehr hoch ist. Das Gerät wird nicht mehr hergestellt und ist veraltet. Unabhängig davon ist das Design hinsichtlich Kabel und Montage schlicht mangelhaft. Das hätte man auch vor 20 Jahren viel besser machen können.
- Ich bin schwer harninkontinent, wenn es fliesst kann ich nichts machen. Nun muss der Katheter vom Genitalbereich zum Messgerät geführt werden. In meinem Fall führte dies trotz Hilfsmittel für schwere Inkontinenz beim zweiten oder dritten Harnverlust zu nasser Hose. Da ich mich im Bereich der Neurourogieklinik bewegte und Hosen trug, die relativ schnell trockneten, nahm ich es gelassen.

Die Urologen waren von den Ergebnissen etwas schockiert, weil sie so etwas bei mir nicht erwartet hatten. Sie kamen aufgrund der Messung zur gleichen Empfehlung wie meine Urologin vor zwei Jahren: Blase komplett mit Botox stilllegen und ISK/SPK. Zumindest derzeit ist dies keine Option für mich, aber ich werde das Ergebnis sowie das weitere Vorgehen mit meiner Neurourologin besprechen.

Insgesamt finde ich es schade, dass die Methode sich nicht etabliert hat. Das Argument, dass die Resultate wegen der Bewegung der Patienten verfälscht werden, halte ich für unzureichend. Erstens habe ich in meinem Fall gesehen, dass der Einfluss der Körperposition auf die Messung kontrolliert werden kann. Umgekehrt misst die stationäre Urodynamik nur in einer Position, in welcher ich z.B. natürlicherweise nie pinkeln würde. Meiner Meinung ist die natürliche Körperposition ein essentieller Faktor bei der Blasenentleerung und muss in der Messung berücksichtigt werden.

Herzliche Grüsse
Martin

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1 Monat 2 Wochen her #52218 von MichaelDah
MichaelDah antwortete auf Langzeiturodynamik
Hallo Martin,

Danke für den Bericht - spannend... Ich weiß garnicht ob das auch in Deutschland angeboten wird. Das der Druck im sitzen und stehen ähnlich ist hängt übrigens damit zusammen das die Blase das normalerweise ausregeln kann - das ist das was als Compliance bezeichnet wird. Wenn das noch funktioniert, ist das erstmal eine gute Nachricht.

Das die Werte bei Bewegung „verfälscht“ werden denke ich schon - das hat erstmal nichts mit der Körperposition zu tun sondern damit das die Blase plötzliche Druckveränderungen die bei einer Bewegung entstehen können nicht kompensieren kann. Das ist ja leider auch oft ein Trigger, der dann zu der Spastik führt. Der Punkt ist halt das man die Ursache später nicht klar erkennen kann (Trigger durch Füllung oder Bewegung). Ich vermute aber, dass man wenn man still sitzt oder steht wenn sich die Blase zusammen zieht ähnlich genaue Werte wie mit der stationären Untersuchung bekommt. Ein Vorteil der mobilen Methode ist aber - wie du schon schreibst, dass sie in jeder Position funktioniert. Das geht mit der stationären Methode nur bedingt. Voraussetzung dafür ist, das du den Nullpunkt der Druckmessung für jede Position neu einstellen kannst. Wenn jemand seine Blase komplett entleeren kann, ist das prinzipiell möglich. Dann kannst du den Messkatheter drin behalten und z.B. mit geleerter Blase von sitzend nach stehend wechseln und das System wieder nullen. Wenn die komplette Blasenentleerung nicht möglich ist, dann kann der Nullpunkt für die nächste Messung nicht eingestellt werden. Der hängt von der Höhe der Messflüssigkeit im Verhältnis zur höhe der Blase ab (hier ist höhe zum Fußboden gemeint). Das spielt bei der mobilen Methode keine Rolle, weil die Messung immer auf gleicher Höhe zur Blase erfolgt und es keine externe Messflüssigkeit gibt.

Bei der Untersuchung im Labor müsste, wenn eine Entleerung nicht vollständig möglich war und nochmals in anderer Position gemessen werden soll ein neuer Messkatheter genommen werden nachdem die Blase mittels normalen Katheter entleert wurde. Da die Messkatheter aber Schweineteuer sind (ca. 40€) wird das kein Krankenhaus freiwillig machen, da die Untersuchung von der Krankenkasse wenigstens in Deutschland für die Untersuchungsdauer sowieso schon stark unterbezahlt ist.

Wie auch immer - toll das es für dich neue Erkenntnisse gebracht hat. Es ist ja manchmal schon gut wenn sich die Probleme reproduzieren lassen - auch wenn es für die Therapie vielleicht nur eine untergeordnete Rolle spielt. Hatten die bei dir auch was zum Thema Schrittmacher gesagt oder war Botox die einzige Option aus deren Sicht?

Viele Grüße
Michael

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1 Monat 2 Wochen her #52219 von martinK
martinK antwortete auf Langzeiturodynamik
Hallo Michael

Vielen Dank für die Antwort!

Dass die Blase den Bewegungsdruck ausgleichen muss, daran habe ich gar nicht gedacht. Danke, das ist ein guter Punkt und spricht dafür, dass die Compliance bei mir insgesamt gut ist. Das deckt sich auch mit den früheren Messungen, da hatte ich nur zwischendurch ungehemmte Kontraktionen, sonst war der Blasendruck während der Füllphase konstant, auch wenn der Sphinktertonus zunahm.

Ich wollte ja gerade sehen, dass die Bewegung einen Einfluss auf meine Blase hat. Es ist typisch, dass sich die Blase entleert, wenn ich vom Sitzen aufstehe und etwas gehe. oder wenn sich der Körper entspannt. Bei der Untersuchung zum Beispiel verlor ich kurz nach Beendigung der Montage von Katheter und Sensoren Harn, obwohl gemäss Ultraschall nicht viel mehr als 150 ml in der Blase war. Ich vermute, dass sich mein Sphinkter entspannte und der Blase die Möglichkeit gab, über eine ungehemmte Kontraktion zu entleeren.

Dass man wegen 40 Euro eine Messung nicht wiederholt ist meiner Meinung nach ein Witz, weil die Folgekosten wegen der fehlenden Untersuchung im Schnitt viel höher sein dürften. Aber das ist wohl ein Paradoxon unserer Gesellschaft, in welcher viel Geld für komische Vorschriften, Überregulierung und Bürokratie ausgegeben wird, und am falschen Ort gespart wird.

Mein Eindruck ist auch, dass man mit den heutigen Möglichkeiten der Messtechnik, Elektrotechnik und Informatik ein viel besseres Gerät für die ambulante Urodynamik bauen könnte. man könnte z.B. eine portable Uroflowmessung einbauen und auch automatisch bestimmen lassen, ob Harn in die Toilette oder ein Hilfsmittel gelassen wurde. Ebenfalls könnte man die Körperposition und -bewegung messen.

Ich habe übrigens vergessen zu schreiben, wie lange die Untersuchung dauerte. Sie begann um 8:30 und endete um 15:30. Das gab einige Entleerungen und zeigte auch auf, was ich im Alltag erleben. Am Morgen entleere ich oft in kleinen Mengen. Am Nachmittag nimmt die Frequenz ab, dafür sind die Entleerungsmengen etwas grösser. Die Messung war insofern ziemlich kongruent mit dem Blasentagebuch, welches ich vor der Untersuchung eingereicht hatte.

Herzliche Grüsse
Martin

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1 Monat 2 Wochen her - 1 Monat 2 Wochen her #52221 von MichaelDah
MichaelDah antwortete auf Langzeiturodynamik
Hallo Martin,

Das mit der Bewegung kann schon ein wichtiger Punkt sein, da könnte die mobile Messmethode tatsächlich Vorteile haben. Mein persönliche und durch nichts weiter als ein paar Überlegungen gestützte Meinung ist, das man möglicherweise die bei der mobilen Untersuchung auftretenden Artefakte falsch oder überbewertet. Ein Ziel der Laboruntersuchung ist es ja festzustellen, ob man die Blase triggern kann - b.z.w. ob eine Belastungsinkontinenz vorliegt (dazu das regelmäßige Husten) und welche Blasendrücke dabei erzielt werden. Insbesondere die Zeitspanne zwischen dem Trigger und der Blasenreaktion kann einige Rückschlüsse auf neurologische Störungen zulassen. Genau das ist aber derzeit bei der mobilen Messmethode nur sehr begrenzt möglich und stark Artefakt belastet.

Ich denke du hast damit recht das, das eingesetzte Gerät die aktuellen technischen Möglichkeiten nicht annähernd nutzt. Es würde vermutlich Sinn machen mehr Daten - insbesondere Beschleunigung und Richtungen sowie die Atmung mit zu erfassen und die dann mit dem gemessenen Druck zu korrelieren. Damit könnte man ggf. die Artefakte herrausrechnen. Nur mit der Uroflow Messung dürfte es etwas schwierig werden.

Ich denke am Ende sind es die folgenden Punkte, die dazu geführt haben das diese Messmethode noch nicht so verbreitet ist:

- Es ist nur eine Druckstudie während der Füllphase - nicht jedoch während der Entleerungsphase sicher möglich - auch weil die Möglichkeiten einer Uroflow Aufzeichnung bei der Entleerung fehlt.

- eine Röntgenkontrolle während der Füll- und Entleerungsphase ist nicht möglich.

- Verschiedene Messungen die im Labor möglich sind wie z.B. Uretradruckprofil sind mobil nicht möglich.

Dadurch kann die mobile langzeit Urodynamik eigentlich nur eine Zusatzuntersuchung sein, wobei die Frage gestellt werden muss welchen zusätzlichen Nutzen sie tatsächlich im Bezug auf die aus dem Ergebnis resultierenden Therapie bietet. Ich denke genau diese Frage lässt sich derzeit nur sehr schwer beantworten und das ist dann vermutlich auch der Grund dafür warum hier nur relativ langsam entwickelt wird. Immerhin gibt es ja schon einen Prototyp einer Kapsel mit der das auch ohne Katheter geht: www.betaklinik.de/innovation-die-wille-k...rucks-ohne-katheter/


Wie auch immer - am Ende hast du ja die Erfahrung selbst gemacht: Etwas anderes als Botox ist denen nach der Messung auch nicht eingefallen - nur das war eigentlich auch schon vorher klar… Die Krux ist halt, das es bei der Behandlung der neurogenen Inkontinenz nichts wirklich heilendes gibt, sonder das es immer auf mehr oder weniger komfortable / erfolgreiche Methoden des Managements der Störung hinausläuft.

Aber vielleicht tut sich da ja auch noch mal etwas mehr…

Viele Grüße
Michael

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1 Monat 2 Wochen her #52227 von martinK
martinK antwortete auf Langzeiturodynamik
Hallo Michael

Ich denke, wie so oft gibt es auch in der Urodynamik keine „Eier-legende-Wollmilchsau“. Meine stationären Urodynamikmessungen waren ja auch nicht für die Katz, dass trotz Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie kein Reflux in die Blase vorliegt, ist z.B. eine sehr wertvolle Erkenntnis daraus.

Man könnte übrigens die Uroflowmessung meiner Meinung nach einbauen und auch das Blasenvolumen könnte man mit verschiedenen Methoden zumindest abschätzen. Vielleicht liesse sich mit einem Mikro-LIDAR-System (müsste noch entwickelt werden) eine 3D-Videountersuchung des Blaseninhalts machen; das ist nun aber etwas eine Spinnerei…

Für mich war die Untersuchung deshalb wichtig, weil mich die letzte Diagnose (hyperkapazitive, hyposensitive und überaktive Blase) nicht zufrieden stellte, zumal sich meine Blase im Alltag nur selten im hyperkapazitiven Bereich befindet. Meine Ärztin war sich wegen der hohen Füllmengen bei den letzten Urodynamikuntersuchungen zuletzt mit dem Botox auch nicht mehr so sicher. Insofern ist die ambulante Urodynamikmessung für ihr Verständnis von meiner Inkontinenz sicher wertvoll. Wir werden übermorgen die Resultate besprechen. Je nach detailliertem Ausgang (vor allem, was den Detrusordruck angeht), werde ich ansprechen, ob wir es als erstes mit einer kleinen Botoxdosis versuchen könnten. Ich wäre dann zwar vermutlich immer noch inkontinent, aber die Überaktivität und die erhöhten Druckwerte könnten damit möglicherweise adressiert werden. Aber Du schreibst es treffend, es geht nur um das Management, nicht um eine Heilung. Betreffend Lebensqualität ziehe ich derzeit die Inkontinenz dem Harnverhalt mit ISK oder SPK vor, Frage ist, was ist für meine Gesundheit das Beste.

Danke für den Link zur Wille-Kapsel. Das ist in der Tat ein spannender Ansatz!

Herzliche Grüsse
Martin

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