Hallo Maiklöckchen
Es tut mir sehr leid zu lesen, was Du durchmachen musst. Ich bin Vater einer Tochter und wurde traurig, als ich Deine Beiträge las. Deine Situation ist wirklich nicht einfach, und ich weiss nicht, ob Dir hier jemand wirklich helfen kann. Ich versuche es zumindest.
Bei mir liegt eine Autoimmunkrankheit vor, welche sich vorwiegend im Lumbosakralbereich bemerkbar macht, sprich neben Empfindungsstörungen und Krämpfen im Unterleib bin ich Harn- und Stuhlinkontinent und entleere oft mit Restharn. Wenn ich aber eine schlechte Phase habe, spüre ich auch Symptome in den Beinen, bin müde, mein Kreislauf kann zusammensacken oder ich habe Verdauungsprobleme. Ähnlich wie es bei Dir zu sein scheint, funktioniert mein autonomes Nervensystem nicht richtig. Begonnen hat das Ganze vermutlich vor inetwa 15 Jahren, aber so klar ist das nicht, weil die Verschlechterung schubweise erfolgte. Ebenfalls unklar ist die Urasche für die Krankheit, es gibt nur Vermutungen.
Aber ich habe einen Weg gefunden, wie ich mit dem Problem zu einem grossen Teil gut leben kann. Auch wenn die Ursache für die Autoimmunkrankheit unbekannt sind, habe ich die von der Krankheit verursachte Neuropathie derzeit dank einer Immunglobulintherapie ganz gut im Griff. Ich vermute, dass einige Nervenschäden nicht mehr rückgängig gemacht werden können, andere beschädigte Nerven haben sich aber messbar erholt und vor allem sind die Schübe seltener oder schwächer geworden. Ebenfalls kenne ich meine Entleerungsprobleme mittlerweile ganz gut und habe mich so darauf eingestellt, dass ich mehrheitlich davon nicht eingeschränkt oder belastet werde.
Was ich mit dem oben Geschriebenen aussagen möchte ist, dass COVID durchaus der Auslöser für Deine Probleme sein könnte, aber möglicherweise lässt sich das heute nicht mehr überprüfen. Viel wichtiger hingegen ist, dass Du alles unternimmst, um Deine Situation zu verbessern. Ich bin kein Arzt, aber wenn ich an meine Situation denke, so gibt es zwei wichtige Aspekte. Erstens half mir sehr eine langjährige neurologische Betreuung. Dabei hatte ich sehr viel Glück, dass meine Neurologin über ein sehr breites medizinisches Wissen und Interesse verfügt und sehr systematisch vorgeht. Zweitens wurde ich gründlich neurourologisch untersucht, und es liegt ein einigermassen klares Bild über meine neurogene Blase vor. Trotz einiger Schwierigkeiten kann ich dank der ärztlichen Hilfe mein Leben so einrichten, dass ich voll arbeiten und Hobbies sowie Freunde und Familie geniessen kann. Wichtig dabei war, dass ich selber nicht nachliess sondern immer auf Konsultationen und Untersuchungen drängte.
Natürlich sind unsere Situationen unterschiedlich, aber ich empfehle Dir sehr, bei der medizinischen Hilfe nicht locker zu lassen oder gar aufzugeben. Wenn ein Urologe nach einer Blasenspiegelung und einer scheinbar erfolglosen Spasmextherapie die Psychosomatikkarte zieht, ist das schlicht unseriös. Erstens reicht die Blasenspiegelung als Methode nicht aus, um eine neurogene Blasenentleerungsstörung auszuschliessen, und zweitens gibt es - wie Matti geschrieben hat - andere Therapien wie das Spritzen von Botox in die Blasenwand oder den Blasenschrittmacher, um eine Reizblase zu therapieren. Wenn Du bei der Einnahme von Spasmex Harnverhalt hattest, bedeutet dies, dass das Medikament Wirkung zeigte, nur war die Wirkung zu stark. Warum hat der Urologe nicht die Dosis reduziert oder Dir ein anderes Medikament verschrieben? Ich würde da definitiv einen weiteren Versuch starten, idealerweise in einem Kontinenzzentrum, wo bereits viel Erfahrung mit der Diagnose und Behandlung von Blasenentleerungsstörungen vorliegt.
Die Blasenfüllung und -entleerung ist ein komplizierter Mechanismus der nur dann ordentlich abläuft, wenn verschiedene Nerven richtig und aufeinander abgestimmt funktionieren. Entsprechend ist die Therapie von einer gestörten Blase nicht vergleichbar mit einem einfachen Eingriff, wie z.B. die Entfernung des Blinddarms. Hinzu kommt, dass jeder medizinische Eingriff in diesen komplexen und sensiblen Mechanismus auch Nebenwirkungen und Risiken birgt. Es braucht also von den Ärzten als auch von den Patienten Geduld und oft einen langen Atem mit Frustresistenz.
Wenn Dir die online-Therapie hilft, so ist das ohne Zweifel wertvoll. Aber Du wirst Deine Reizblase dadurch vermutlich nicht los. Zudem würde ich an der Stelle der Therapeutin darauf bestehen, Dich vor Ort zu treffen, auch wenn Du manchmal zu spät kommen würdest. Du musst umbedingt aus dem Käfig ausbrechen, in welchem Du wegen der Reizblase steckst. Ich verstehe nicht ganz, wieso ein Klinikaufenthalt wegen Deines Toilettenproblems abgelehnt wurde. Wäre es möglicherweise in Deiner Situation, wenn Du im ersten Schritt mit einer stationären Therapie beginnen könntest? Dies gäbe die Möglichkeit, Dich voll auf die Lösung Deines Problems zu konzentrieren, sei es medizinisch, sei es durch eine spezielle Physiotherapie oder eine Verhaltenstherapie.
Das Vitamin B12 können übrigens sehr viele Menschen nicht über Nahrungsmittel aufnehmen. Falls bei Dir ein Mangel diagnostiziert wurde (was ein weiterer Hinweis auf eine neurologische Erkrankung wäre), so solltest Du das Vitamin über Spritzen verabreicht erhalten. Dasselbe kann meinem Wissen nach auch bei Eisen vorkommen.
Herzliche Grüsse
Martin