Lieber Matti
Ich habe viel über die Ursachen meiner Probleme nachgedacht und auch mit meiner Urologin darüber gesprochen.
- Mit jedem Katheterisieren werden Keime in die Blase gebracht, das lässt sich nicht verhindern sondern liegt in der Natur des ISK. Unser Körper ist voll von Bakterien. Natürlich befinden sich E. coli Bakterien vor allem im Darm, aber nicht ausschliesslich. Das ist auch so lange nicht schlimm, wie das Immunsystem mit den Bakterien umgehen kann. Bei mir klappt das gar nicht gut. Die letzten Infekte führten all zu hohem Fieber und legten mich völlig lahm.
- Meine Ärztin glaubte zuerst, dass ich deshalb Infekte vom ISK kriege, weil ich damals nur 2-3 Mal am Tag katheterisierte. Sie meinte, dass wenn ich öfter katheterisieren würde, sich die Bakterien weniger gut vermehren könnten. Die Erhöhung der ISK-Frequenz brachte dann aber gar nichts.
- Stuhlschmieren als Ursache für die Probleme kann ich ausschliessen. Ich habe bei weitem nicht jeden Tag das Problem, dass Stuhlschmieren auftritt. Bei den vielen Infekten nach ISK wäre mir hingegen ein Zusammenhang zu Stuhlschmieren aufgefallen. Ebenfalls hatte ich viele Infekte, bevor ich begann, mir eine Gaze in den Pospalt zu legen.
- Dass das Tragen von saugenden Hilfsmitteln in Kombination mit ISK die Infekte verursacht, kann ich nicht ausschliessen, aber ich halte es eher für wenig wahrscheinlich. Erstens hatte ich bis anhin ausser bei ISK nie Probleme mit Harnweginfekten. Da ich praktisch Tag und Nacht Hilfsmittel trage, würde ich erwarten, dass es auch ohne ISK zu Problemen kommen müsste, insbesondere, da E. coli Bakterien sich ja fortbewegen können. Der Harnleiter wird bei mir auch wegen der Dranginkontinenz sehr regelmässig gespült, und damit wird die Bakterienkonzentration im Leiter ja auch reduziert. Zweitens hatte ich mal einen Infekt, als ich unter tags nur zwischendurch Hilfsmittel trug (das war in den Ferien am Meer). Ich katheterisierte mich regelmässig, damit ich nur in Badehosen bekleidet herumlaufen konnte. Auch da war nach zwei Tagen der Infekt da. Ebenfalls versuchte ich es mal mit Blasenspülungen vor dem ISK. Dabei müsste ja ein guter Teil der Bakterien aus dem Harnleiter herausgespült werden. Auch das half nichts.
Ich schrieb es hier schon öfters; Ich möchte das ISK nicht schlecht machen, es ist ein „golden Standard“, der in vielen Fällen die entscheidende Lösung für Entleerungsstörungen ermöglicht. Nur klappt es bei mir nicht, und wenn ich über meine Situation schreibe, so ist das nun mal meine Erfahrung. Ziemlich sicher bin ich mit meinen grossen Problemen eine Ausnahme, aber das kann ich ja nicht jedesmal quasi als „Disclaimer“ anbringen. In anderen Beiträgen schreibe ich ja auch positiv über ISK.
Die Hypothese der Ärzte ist nicht, dass mein Stuhlschmieren, oder das Windeltragen, oder die Gaze für die Infekte verantwortlich sind, sondern, dass die Infekte von der überaktiven Blase verursacht werden, und dass das Infektrisiko zumindest viel kleiner sein würde, wenn die Blase beruhigt würde. Dies war auch mein Anlass für diesen Thread. Es wäre für mich beruhigend, wenn jemand diese Hypothese aufgrund eigener Erfahrung stärken könnte. Natürlich überlege ich mir auch, auf die Aussage der Ärzte zu setzen und es einfach zu versuchen.
Zu Deinem letzten Punkt: Ich bin mir bewusst, dass ich, gesundheitlich betrachtet, viel besser da stehe als manche Betroffene hier im Forum. Meine Krankheit betrifft in erster Linie die Blasen- und Stuhlentleerung. Ich kann mich normal bewegen, habe keine chronischen Schmerzen und mein Herzkreislauf und die Lungen sind in einem ordentlichen Zustand, obwohl mein gesamtes autonomes Nervensystem von der Immunkrankheit betroffen ist. Dennoch bin ich mir natürlich meiner Krankheit bewusst und weiss auch, dass mein Körper ziemlich sicher nie mehr ordentlich funktionieren wird. Nur sehe ich betreffend der Blase keine für zufriedenstellende Perspektive. Was ich jetzt schreibe, soll kein Vorwurf an die Medizin sein, offensichtlich gibt es derzeit keine besseren Therapien. Aber meine Wahl ist momentan zwischen
- nichts machen, mit der überaktiven Blase leben und hoffen, dass dies keine gesundheitlichen Konsequenzen hat (beziehungsweise, dass man Probleme rechtzeitig erkennt und dann allenfalls handelt),
- Weitere blasenberuhigende Medikamente testen in der Hoffnung, dass diese wirken und ich mit den Nebenwirkungen und der Aussicht, diese Medikamente permanent einzunehmen, leben kann,
- Botox spritzen zu lassen und hoffen, dass ISK dann geht oder ich mit einem SPK klarkomme.
Keine dieser Optionen gefällt mir ehrlich gesagt, weil sie alle aus verschiedenen Gründen für mich problematisch sind und meine Blasenentleerungsprobleme auch nicht befriedigend beseitigen. Natürlich muss ich mich nach jeder ärztlichen Konsultation und Untersuchung entscheiden, wie weiter. Aber wenn die Therapieansätze, subjektiv betrachtet, so unbefriedigend sind, ist es kein Wunder, dass ich zögere und mit der Situation unzufrieden bin. Anders sieht es übrigens bei der Behandlung meiner Autoimmunkrankheit aus. Die Immunglobulintherapie bringt mir so grosse Vorteile, dass ich mit den geringen Nebenwirkungen und Einschränkungen sehr gut leben kann (dort störe ich mich einzig an den hohen Behandlungskosten).
Es ist nicht so, dass ich eine prinzipielle Diskussion über ISK nicht für sinnvoll erachte, nur war meine Hoffnung, dass ich in diesem Thread mehr darüber erfahre, ob eine Chance besteht, dass ich nach einer Botoxbehandlung weniger anfällig auf ISK sein könnte. Vielleicht schreibt noch jemand etwas aus eigener Erfahrung dazu.
Herzliche Grüsse
Martin
P.S.: Nachtrag zu den E. coli: Ich liess im Sommer meine Darmflora untersuchen. Es gibt zwar keine Hinweise dafür, dass die Darmwand „leaky“ sei, aber stabil ist sie auch nicht. Es kann also schon sein, dass E. coli Bakterie durch die Wand dringen und mein Immunsystem belasten. Wenn ich meine Darmflora verbessere, sollte die Dichtheit der Wand auch zunehmen. Vielleicht klappt ISK dann auch besser (siehe auch den Beitrag von Valerie in diesem Thread).