Ein freundliches Hallo an euch!
Seit meinem letzten Lebenszeichen sind das nun schon zweieinhalb Wochen, in denen ich irgendwie rumgekrampft habe, um mit meiner Situation klarzukommen. Von Euphorie bis Panik war von allem was dabei und was heute wie ein Rückschlag aussah, entpuppte sich am nächsten Tag als ein Vorteil – und am übernächsten Tag wieder als ein Problem. Unmöglich, darüber zu schreiben, denn bevor ein Ereignis erzählt ist, ist es von der nächsten Welle schon wieder weggeschwemmt…
Dennoch: Langsam zeigen sich die ersten Erfolge bei meinem Bemühen, wieder Linie und Orientierung in mein Leben zu bekommen. Nachdem nach 2 Monaten der Katheter raus war, alles geschwollen, gefühllos und völlig ohne Kontrolle über die Blase, da kam mir auf einmal zu Bewusstsein: „
Mein Gott, du bist ja jetzt behindert!“ Mit diesem Gedanken im Hinterkopf habe ich euch kennengelernt. Inzwischen ist mir aber auch die andere Seite der Medaille ganz klar:
Die wirkliche Behinderung beginnt im Kopf und man ist immer nur so behindert, wie man es zulässt!“
Das ist die Einstellung, die ICH für MICH inzwischen eingenommen habe und niemand sonst muss sie sich zu Eigen machen (aber wer will, der kann natürlich). Was bringt mir das?
Inkontinenz. Der tägliche Windelverbrauch ist von 11-12 schon jetzt auf 3-4 zurückgegangen. Ich gewinne viel besser die Kontrolle über meine Blase zurück, als ich mir am Anfang vorstellen konnte. Nachts wache ich auf, wenn die Blase voll ist und kann sie bereits ohne Probleme ins rechte Örtchen entleeren. Gar keine Probleme mehr beim Sitzen. Auch da meldet sich die Blase, wenn sie muss, und ich habe den Dreh raus, wie ich aufstehe und bis zum Klo (fast) verlustfrei durchhalte. Stehen, Laufen, Radfahren (ja, ich fahre mit der Windel unterm Hintern wieder Rad!) sind die Baustellen, an denen ich aktuell arbeite. Da ich durch meine COPD sehr viel huste und mir obendrein eine ziemlich üble Erkältung eingefangen habe, versuche ich ganz aktuell, den Dreh zu finden, wie ich husten könnte ohne zu pieseln. Beim Niesen gelingt mir das bereits, indem ich laut und zur Nase hin niese. Funktioniert perfekt. Die grobe Richtung stimmt also erst einmal, aber ich mache mir keine Illusionen darüber, dass die Feinarbeit, die vielen Tröpfeleien also, noch viel Geduld und Üben erfordern wird, bis „es“ geschafft ist. Weiter will ich heute noch gar nicht denken.
Das mit der „fachkundigen Anleitung“, die ihr mir ja auch empfohlen habt, hätte ich zwar gerne gehabt, aber sie war zunächst leider ein Flop! Der erste Termin in der Beckenbodengymnastik am 7.10. war wie ein erster Termin in der Fahrstunde: Erst mal Theorie; und ich war so begierig auf die Praxis! Der Folgetermin am 11.10. wurde erst mal aus Termingründen abgesagt, und so kam ich erstmals letzten Freitag am 18.10. zur allerersten Übungsstunde.
Um nicht in meiner urinalen Ratlosigkeit herumsitzenbleiben zu müssen, habe ich mir alle Übungsanleitungen, auch die von euch erhaltenen, die erreichbar waren, zusammengesucht und mir daraus eine eigene Übung zusammengebastelt. Es ist eine Anspannungs- und Entspannungsübung mit steigenden Intervallen der Anspannung, die ich täglich abends im Bett genau hundertmal, immer nach zehnmal steigernd, und tagsüber nach Bedarf durchführe. Von der ersten Übung an zeigten sich schon Erfolge und nach wenigen Tagen hatte ich gelernt, wie sehr ich den Schließmuskel belasten darf und ab welchem Punkt er erschlafft und „es laufen lässt“. Jetzt trainiere ich den Muskel wie jeden anderen Muskel auch. Trotzdem ist es nur ein erster Schritt, der getan ist.
Kondomurinal. Auch da habe ich mich gekümmert. Ich war beim Urologen – Windeln zahlt die Kasse nicht, wohl aber Kondomurinale. „Ich schreib dir ein Rezept, mit dem gehst du zur Apotheke. Die geben dir ein paar Proben zur Auswahl und was passt, das besorgen sie dir dann!“ Ich ging zur Apotheke. Man war ratlos. Man beriet sich. Dann beriet man mich: „Ich muss mich da erst einmal mit einer Herstellerfirma in Verbindung setzen und dazu brauche ich Ihren Umfang“, sagte mir die Dame. Ich wollte mich mit einem kleinen Witz über meine Enttäuschung wegbringen und fragte zurück: „Sie meinen aber sicher nicht meinen Bauchumfang?“ Den Witz hat die Dame nicht verstanden. Sie versicherte mit noch, dass normalerweise die Urologen solche Proben hätten und nicht die Apotheken. OK. Urologe. Apotheke. Und am Ende, wie so oft: Selbst ist der Mann, der sich kümmert. Ich werde also nun die Firmen, die ihr mir genannt habt, anrufen und mich schlau machen. Erzähle dann später weiter, was daraus geworden ist.
Sonstiges. Mein Muskelaufbautraining nach den Operationen dreimal die Woche in der Klinik macht gute Fortschritte. Also für einen Halbmarathon reicht es noch nicht, aber ich bin mit mir zufrieden, und das zählt. Dreimal die Woche kommt auch ein Kine(siotherapeut) zu mir in die Wohnung und kloppt eine halbe Stunde lang wie wild auf meinem Rücken herum – mein Schleimlöser-Therapeut! Es ist unglaublich, was sich hier täglich an Schleim ansammelt – und leider finden sich noch immer multiresistente Krankenhauskeime in diesem Schleim. Das kann also noch ein sehr belastendes Thema für mich werden. Belastend könnte auch noch mein letztes Gespräch mit dem Kardiologen werden, mit dem ich mich letzte Woche traf. Er meinte, der Bakterienstamm, den ich an meiner Herzklappe hatte, würde dazu neigen, im Darm Polypen zu bilden, die zu Darmkrebs führen. Es steht also eine weitere Untersuchung, "so von hinten da rein und mal kucken". Den Namen der Untersuchung nenne ich lieber nicht, klingt nämlich angsteinflössend.
Mit diesem Beitrag werde ich nun wohl langsam das Forum „Vorstellungsrunde“ verlassen. Ich werde das, was ich gerne mit euch teilen möchte, künftig in den passenden Themenforen einstellen. Ich freue mich, euch kennengelernt zu haben und noch weiter kennenzulernen.
@Hanja: Auf deinen Beitrag antworte ich separat, es ist in der Tat ein wichtiges Thema im Umgang mit Krankheiten und anderen Widrigkeiten des Lebens.
Lieben Gruß
Pol