Hallo, zusammen,
Naja, Streiten würde ich es nicht bezeichnen, aber es ist eine, vielschichtige, nicht einfache Diskussion. Das wäre sie auch in der Sprache, denn bei solchen Themen habe ich es oft genug erlebt, dass der eine dem anderen gar nicht zuhört, ihn nicht ausreden lässt und versucht, ihm seinen Standpunkt aufzuzwängen, was wiederum der andere nicht hört, weil er gar nicht zuhört. Hier haben wir wenigsten die Chance, dass wir es fertig schreiben können, ob das dann auch gelesen und so verstanden wird, wie es gemeint war, bleibt offen. Es bevorzugt aber diejenigen, die besser schreiben können, und da gebe ich Waldemar wiederum recht, gerade bei so einem Thema, das nicht leicht ist, durchzudenken und dann in einem Gedankenfluss auch folglich zu so zu beschreiben, wie es gedacht war, das ist schon eine Herausforderung, der ich mich auch gar nicht stellen würde, hätte ich jetzt nicht gerade Zeit und Muße, weil ich mich in Krankenstand befinde. Und oft habe ich zu ausufernden Diskussionen, auch verbal gar keine Kraft und Lust, gerade dann nicht, wenn es nicht einen guten, neutralen Moderator gibt.
Es werden hier in dieser Thematik zwei unterschiedliche Themen miteinander verwoben. Das eine ist die Akzeptanz von behinderten Menschen, die sich nicht mehr im Mutterleib befinden. Hier im Speziellen von Menschen mit Down Syndrom.
Das andere ist die Akzeptanz von ungeborenen Menschen und Entscheidungsgrundlagen, diese zu beseitigen, wie es Matti beschrieb oder abzutreiben, wie hier diskutiert wird und neben der ethischen Frage an sich, ob dies vertretbar ist und die Frage nach der damit verbundenen von Menschenhand durchgeführten Selektion.
Zur ersten Frage gibt es hier keinen Zweifel, bei keinem bisher Diskutierenden, dass wir an einer Verbesserung der gesellschaftlichen Akzeptanz behinderter Menschen interessiert sind und auch dafür kämpfen, es ist ja auch Teil unserer Mission im Verein.
Zur anderen Frage ist der Kern des Pudels nicht ganz so leicht zu definieren, denn nicht nur das Kind mit Trisomie 21 hat die Abtreibende schon, sondern jegliches abzutreibende Kind hat die Mutter schon in ihrem Leib. Die Frage ist hier komplexer, nämlich, ob die Entscheidung abzutreiben, den Frauen leichter gemacht wird, wenn es dafür eine scheinbare Indikation gibt, und, ist es moralisch gesehen besser, ein Kind mit Trisomie 21 abzutreiben, als ein vermutlich gesundes Kind?
Untergräbt dann diese Einstellung als Rechtfertigung der Abtreibung es war (grob gesagt eh nur, hört euch das an, wie schrecklich das klingt!) ein behindertes Kind unsere gewünschte Akzeptanz derer, die es auf die Welt geschafft haben?
Hier muss die Antwort ganz klar ja heißen, eine Gesellschaft, die eine Behinderung wie Trisomie 21 als nicht lebenswert halten würde, würde dies dann auch nicht für die Überlebenden tun. Vorgeburtliches Screening und damit verbundene Wegselektionierung gewisser, von der Gesellschaft als nicht lebenswert eingestufter Erkrankungen führt in gefährliche Richtung. Akzeptanz behinderten Lebens, egal ob ungeboren oder geboren, führt zu Akzeptanz verschiedenster Vielfältigkeit. Und Nichtakzeptanz führt eben zu Intoleranz.
Was ist die Lösung? Abtreibungen ganz verbieten? Hat noch nie funktioniert, in keiner Gesellschaft, dann geht es in die Illegalität und zu Methoden des Mittelalters.
Fristenlösung, Indikationsmodelle, ob wir es wollen, oder nicht, wir sind mitten in einer Abtreibungsdiskussion und ob diese dienlich für die Verbesserung der Akzeptanz behinderter Menschen ist, wage ich zu bezweifeln.
Es ist ein Henne-Ei Problem. Wo beginnt die Akzeptanz, wo verschlechtert sie sich, wo kann der Hebel zur Verbesserung angesetzt werden. Gibt es keine vollständige Akzeptanz und Inklusion der Geborenen, so wird sich dies auch auf die Akzeptanz der Ungeborenen auswirken. Und umgekehrt. Doch wo beginnen? Behinderte in eine Welt schicken, in der sie dann nicht erwünscht sind? Behinderte vorgeburtlich zu entsorgen, damit man sich danach nicht um Integration bemühen muss?
An beiden Seiten muss gearbeitet werden und beidseitige Akzeptanz ist gefragt. Die radikale Verhinderung von früher Pränataldiagnostik löst meiner Meinung nach nicht das Problem, wenn nicht zeitgleich die Verbesserung der Akzeptanz und auch damit verbundenen Ängsten begegnet wird.
Ich habe einen Kollegen, der nach der Pränataldiagnostik wußte, dass seine Familie Zuwachs mit einem Trisomie 21 Kind bekommen wird. Er und seine Frau haben sich bewußt dafür entschieden. Soweit, so gut, doch er hatte lange gezögert, darüber offen zu sprechen, hat es dann unter dem Mantel des Vertrauens weitergegeben, aber immerhin, er steht zu seinem Kind, liebt es wie die beiden anderen. Von einer gesellschaftlichen Akzeptanz, so, dass man gar nicht darüber reden muss, sind wir aber weit entfernt. Die, noch vor einigen Jahren häufig vertretene Meinung, dass behinderte Kinder die Entwicklung der nicht behinderten Geschwister behindern würde, gehört Gottseidank eher der Vergangenheit an, ist aber immer noch präsent.
Der Weg müsste doch so sein, dass es gesellschaftlich leicht ist, ein Kind mit Behinderung auf die Welt zu bringen, was Akzeptanz, Betreuung und Integration betrifft. Derzeit ist das eher den Wohlhabenden und Intellektuellen vorbehalten. Es hat also auch eine soziale Komponente. Das hat wohl Elke damit gemeint, lasst uns doch zuerst mit der überwiegenden Anzahl der bereits lebenden Behinderten auseinandersetzen, ich interpretiere in ihrer Meinungsäußerung ganz sicher nicht, dass sie behindertes ungeborenes Leben wegräumen möchte.
Und nochmals schließe ich mich der Meinung an, dass dieses Thema sehr komplex, sensibel und äußerst umfangreich ist und es im Rahmen des formulierten Postings hier sehr schwer ist, auch für mich, der zweifelsfrei gut formulieren kann, die richtige Wortwahl zu finden, um in einer differenzierten Meinung und Diskussion keinem ungewollt auf den Schlips zu treten. Gewollt wäre es ja OK, aber das war ja bislang aus meiner Sicht nicht notwendig. Es wäre zu einfach, hier eine Diskussion loszutreten und nur zu erwarten, dass alle ins gleiche Horn stoßen und jubelnd sagen, schützt ungeborene Behinderte, wir wollen keine Welt ohne Behinderte!
Pränataldiagnostik als Schwangerschaftsabbruch nach Indikation abzulehnen muss auch konsequent zu Ende gedacht werden. Welche Indikationen? Es geht ja nicht nur um Trisomie 21, konsequenterweise muss man dann alle Behinderungen einschließen. Oder wo ist die Grenze zwischen schwerer, schwerster und leichter Behinderung? Das hieße dann, bei Akzeptanz der gesellschaftlich etablierten Fristenlösung mit risikoarmer Abtreibung als Alternative zur illegalen Abtreibung, dass die Entscheidungsgrundlage ganz wirtschaftlichen und sozialen Aspekten der Frau / des Paares, meist nur der Frau, überlassen wird. Konsequenterweise müsste man dann jegliche pränatale Information ausschließen, denn bei Akzeptanz von Abtreibung als Fristenlösung in alleiniger persönlicher Entscheidung könnte es z.B. passieren, dass die Information über das Geschlecht eine Grundlage zur Entscheidung für eine Abtreibung bildet, was ja heute, in verschiedenen Kulturen unterschiedlich, sicher auch so der Fall ist.
Dann stellt sich, je nach Ausgangslage, für ungewollte zukünftige Frauen oder Männer die gleiche Frage wie für den Menschen mit Down Syndrom. Bei der künstlichen Befruchtung ist es ja bereits Fakt, ungewollte Embryonen werden entsorgt oder als lebendes Ersatzteillager aufbewahrt.
Ich könnte die Diskussion noch viel weiter führen, möchte aber wieder auf das eigentliche Thema zurückführen, bauen wir doch lieber an einer Welt, die mit der Vielfalt der Menschen und der Vielfalt von Behinderungen besser zurecht kommt, um die Grundlage für entstehendes Leben, gleich wie es ist oder sein wird, zu verbessern.
Das Risiko, dass eine Erleichterung einer Indikationslösung zur gewissenloseren, erleichterten Abtreibungsentscheidung führen könnte, sehe ich schon. Dennoch gibt es hier so viele Aspekte, mit denen man sich auseinandersetzen muss, die es auch, gerade für jemanden, der sich mit dem Thema vielleicht noch nicht so eingehend beschäftigt hat, schwer macht, sich eine neutrale Meinung zu bilden.
Zusammenfassend möchte ich aber für mich sagen, dass ich es als vorrangig betrachte, behinderte Menschen besser zu integrieren und gesellschaftlich zu akzeptieren, damit es für jemanden, der die pränatale Diagnose wie etwa Trisomie 21 seines ungeborenen Kindes erhält, leichter hat, dies anzunehmen und nicht aus diesem Grund die Entscheidung für eine Abtreibung trifft.
Johannes