Ein herzliches Hallo zusammen
ich bin im Zuge meiner Recherche zum Beckenbodenschrittmacher/ Darmschrittmacher auf diese Seite gestoßen und war eine Weile stille Mitleserin - vor allem in den wenigen Threads in dem die Schrittmacher mit der Indikation Verstopfung bzw. Entleerungsstörung diskutiert wird. Diese kommen meinem Krankeitsbild am nächsten und sind generell im Internet weit und breit die einzigen, wo persönliche Erfahrungen zum Thema Schrittmacher bei Stuhlentleerungsstörung nachzulesen sind - und dadurch umso wertvoller für Betroffene, danke dafür!
Nun möchte ich mich selbst - und meine Geschichte - auch einmal vorstellen. Ich weiß nicht ob und wann die SNS eine Option für mich sein wird - auch gehört mein Krankheitsbild in den hier sehr selten vertretenen Formenkreis „Verstopfung / Entleerungsstörung“.
Doch vielleicht treffe ich noch auf den ein oder anderen Gleichgesinnten, vielleicht traut sich ein bisher stiller Mitleser (wie ich) auch zu schreiben.
Vielleicht haben die alten Hasen, SNS-Träger und Betroffenen Ideen, Tipps zu generellen Behandlungsmethoden, Vermutungen über Zusammenhänge meiner Krankheitsgeschichte, Erfahrungswerte in ähnlichen Fällen... ich bin dankbar für alle Impulse!
Ich bin Maditha, 22 Jahre alt und komme aus dem Süden Deutschlands.
Seit zwei Jahren leide ich an einer schweren Stuhlentleerungsstörung.
Sie kam nicht plötzlich sondern es gibt eine Vorgeschichte. Für den Zusammenhang muss ich hier also etwas weiter ausholen.
Bis zu meinem 16. Lebensjahr lief verdauungstechnisch alles tiptop - ab da zunehmend Bauchschmerzen, Krämpfe, Blähungen. Ab dem 18. Jahr manifestierte sich zusätzlich eine massive chronische Verstopfung: trotz mindestens einmal täglichem Stuhlgang war die Stuhlkonsistenz so hart, dass ich immer stark pressen musste - mit dementsprechenden Schmerzen. Ich habe absolut alles gemacht und ausprobiert, was landläufig und medizinisch gegen Verstopfung empfohlen wird - es wurde immer schlechter. Ich musste die Abführmittelmenge (Macrogol, Lactulose, Magnesium) immer weiter erhöhen und trotzdem war der Stuhl so hart, dass ich ihn zumeist nur mit zusätzlichen Einläufen einigermaßen absetzen konnte. Das dauerte zwei Jahre bis ich endlich auf mein Drängen hin (im Frühjahr 2017), auf Nahrungsmittelintoleranzen getestet wurde (Zitat des Arztes: „Wenn Sie keinen Durchfall haben, dann haben Sie auch keine Intoleranzen.“ „...“).
Diagnosen: Fructose- und Sorbitintoleranz. Lactoseintoleranz. Histaminintoleranz.
Wie ich es mir schon dachte, lag dort (vor allem in der Fructoseintoleranz) die Ursache des extrem harten, trockenen Stuhls. Ich hielt mich konsequent an die passenden Diäten, sehr schnell wurden Bauchkrämpfe und co. besser und am Wichtigsten: der Stuhl weicher!
Doch mit dem weicheren Stuhl, der mir ermöglichte seit langem wieder normal (ohne Einlauf) aufs Klo zu gehen, trat eine ganz neue Problematik zum Vorschein: die Entleerungsstörung - womit wir beim Thema wären.
Meine Symptome waren schwacher, unbeständiger Stuhldrang, der manchmal nur für Sekunden anhielt und dann wieder verschwindet. Er reichte oft nicht für Stuhlgang. Auch wenn der Enddarm komplett voll mit (weichem!!) Stuhl war, reichte der „körpereigene Druck“, den der Enddarm normalerweise produziert nicht zur Entleerung. Folge: mehrere (erfolglose) Klogänge hintereinander, portionsweise Entleerung mit Bleistiftstuhl, unvollständige Entleerung.
Der Stuhlgang klappte, wenn überhaupt, nur das erste Mal morgens. Wenn ich beim ersten, leichten Stuhldrang nicht sofort auf die Toilette ging, verschwand der Drang und kam den Tag über nicht so wieder, dass es für eine Entleerung gereicht hätte. Ich hatte nur ein unangenehm volles Druckgefühl und zunehmend Schmerzen durch die (durch den Stuhl) gereizte Schleimhaut. Die Füße habe ich beim Klogang immer auf einen kleinen Hocker gestellt, sonst ging sowieso gar nichts.
Auch Einläufe (200-400ml Wasser mittels Klistierspritze) funktionierten nicht mehr: Obwohl der Enddarm komplett mit (weichem!) Stuhl gefüllt war, löste das zusätzliche Wasser fast kein Stuhldrang aus und konnte problemlos lange Zeit gehalten werden. Ging ich trotzdem aufs Klo, floss nur das Wasser heraus ohne den Stuhl mitzunehmen - der Enddarm blieb genauso unvollständig entleert wie vorher.
Im Juni 2018 hat mich mein hier ansässiger Proktologe aufgrund der ausgeprägten und komplexen Beschwerden in das Israelitische Krankenhaus Hamburg überwiesen, zwecks umfassender Diagnostik. Seine vorläufige Diagnose: „Schwere Stuhlentleerungsstörung bei komplexer Störung am Anorektum und Beckenboden“.
Folgende Untersuchungen wurden bei mir dann im Krankenhaus durchgeführt und interpretiert: MR-Defäkographie, Colon-Transit-Test (Hinton-Test), anorektale Manometrie, Ballonexpulsions-Test, rektaler Barostat (plus natürlich die üblichen Untersuchungen wie digitale Austastung, Rektoskopie, Ultraschall usw).
Alle zeigten eine rektale Entleerungsstörung!
Durch die MR-Defäkographie wurde ein mittelgradiger Rektumdezensus (abgesenkter Beckenboden im hinteren Bereich) und eine mittelgradige anteriore Rektozele (Darm bildet Aussackung nach vorne, zur Vagina) nachgewiesen.
Dies wurde als die Ursache für meine Stuhlentleerungsstörung interpretiert und mir daraufhin als erster Schritt folgende konservative Maßnahmen verschrieben: Beckenbodentraining (zur Stärkung der Muskeln) und Biofeedback-Training (um zu üben den Sphinkter zum richtigen Zeitpunkt zu entspannen, um so die funktionelle Blockade während des Stuhlgangs zu verhindern).
Soweit so gut - ich war hoffnungsvoll und hoch motiviert. Denn ich bin immer froh über Behandlungsmaßnahmen, die ich mit eigener Kraft durchführen und in Eigenregie erarbeiten kann!
Mit dem Beckenbodentraining habe ich direkt begonnen, doch nach einer Woche verschlechterte sich die Symptomatik und war nach zwei Wochen so schlimm, dass ich abbrechen musste. Das Trainieren, also Anspannen des Beckenbodens hat wohl dafür gesorgt, dass sich die gesamte Muskulatur noch mehr verkrampfte und der ganze Entleerungsapparat beim Stuhlgang (wo er eigentlich ENTspannen sollte), unter Anspannung stand.
Ich war sehr frustriert und ernüchtert, setzte meine Hoffnung aber auf das Biofeedback-Training, in dem ja die richtige Koordination wiedererlernt wird - vor allem eben auch die entsprechenden Muskelpartien beim Stuhlgang zu entspannen.
Im August 2018 bekam ich mein ambulantes Biofeedback-Gerät und startete mit meinem täglichen Training.
-> Kurze Erklärung: eine Sonde mit Elektroden befindet sich im Enddarm, weitere Elektroden kleben auf dem Bauch und sind mit dem Gerät verbunden. Sie messen Muskelspannung- und Entspannung und bilden diese auf dem Bildschirm als Stufendiagramm ab. Ich muss nun abwechselnd 10 Sekunden die Bauchmuskeln ANspannen und gleichzeitig den Schließmuskel ENTspannen (das entspricht der üblichen Muskeltätigkeit während des Stuhlgangs) und dann wieder 10 Sekunden komplett alle Muskeln entspannen.
Zuersteinmal konnte ich dadurch deutlich sehen, dass und WIE meine Muskeln falsch arbeiten: Der Tonus im Schließmuskel war grundsätzlich sehr hoch und es war anfangs sehr schwierig für mich, ihn aktiv zu entspannen - nach einigen Wochen ging das besser.
Doch wenn ich gleichzeitig die Bauchmuskeln anspannen und den Schließmuskel entspannen sollte, ging der Tonus im Schließmuskel sofort hoch (sogar höher als jener der Bauchmuskeln!). An der Symptomatik verbesserte sich kaum etwas.
Nach vier Monaten änderte ich schließlich meine Trainingsstrategie: Ich übte nun ausschließlich das Entspannen des Schließmuskels um die Muskeln aus ihrem eingefahrenen Verkrampfungs-Muster zu holen.
Denn das Anspannen der Bauchmuskeln hatte mein Darm irgendwie fälschlicherweise mit gleichzeitiger Anspannung des Schließmuskels verknüpft und kam da einfach nicht von weg - und das stellt während des Stuhlgangs logischerweise ein Problem dar.
Schon nach ein bis zwei Wochen merkte ich, dass ich langsam einen Zugriff auf die Muskulatur bekam und den Schließmuskel während des Stuhlgangs aktiv entspannen konnte!
Der Stuhlgang selbst klappte so viel besser: seltener unvollständige Entleerung oder mehrmals aufeinanderfolgende, portionsweise Entleerung!
Doch leider: Auf die Parallelproblematik des fehlenden Stuhldrangs hat das Biofeedback-Training keinen Einfluss und sie hat sich immer weiter verschlechtert.
Stuhldrang ist praktisch gar nicht mehr vorhanden!
Jeden Morgen ca. 1-2h nach dem Aufstehen „muss“ ich aufs Klo (sprich der Darm transportiert den Stuhl zuverlässig
bis in den Enddarm).
Doch der gefüllte Enddarm signalisiert mir daraufhin keinen eindeutigen Stuhldrang.
Der Drang ist so schwach, dass ich mich sehr konzentrieren muss, ihn nicht zu verpassen.
Er hält außerdem nur wenige Sekunden an, dann spannt sich meine Beckenbodenmuskulatur unwillkürlich an (ich habe in dem Moment auch keinen Zugriff um aktiv gegenzusteuern) und verschwindet dann wieder.
In den mehrmals wiederkehrenden, wenigen Sekunden des „Stuhldrangs“ muss ich irgendwie den einen, richtigen Moment abpassen wann es zum Stuhlgang reicht und dann innerhalb von drei Sekunden auf dem Klo sein!
Der Stuhldrang ist mittlerweile so schwach, dass es einem Zufallsprinzip gleicht in welchem Moment ich aufs Klo gehe.
Das beeinflusst den folgenden Stuhlgang natürlich negativ, der sich durch das Biofeedback-Training ja eigentlich verbessert hatte, da ich den Schließmuskel währenddessen wieder aktiv entspannen kann.
Aber der Stuhlgang kann natürlich immer nur so gut sein, wie es der Enddarm mittels Stuhldrang als den richtigen Zeitpunkt dafür vorgibt - und damit maßgeblich steuert.
Der anberaumte Zeitraum von neun Monaten für das Biofeedback-Training läuft bald aus und das ist nun meine aktuelle Situation meiner Entleerungsstörung.
Ich habe deshalb in einigen Wochen einen erneuten Termin im Israeltischen Krankenhaus Hamburg. Dort gilt es jenen aktuellen Stand der Dinge zu besprechen und diskutieren ob und welche Optionen es nun noch für mich gibt...
Ich bin naturgemäß sehr frustriert, dass die Maßnahmen so viel weniger Erfolg brachten als erhofft und hatte auch nicht erwartet, dass sich die Situation mit dem Stuhldrang weiter so verschlechtert. Der Leidensdruck welcher die Entleerungsstörung mit sich bringt ist immens.
Ich recherchiere und lese selbst sehr viel, obgleich es aufgrund der Komplexität und Seltenheit der Erkrankung sehr schwierig ist an handfeste Informationen zu dem Thema zu kommen.
Doch mein anatomisches Wissen und mein Gefühl sagen mir, dass irgendein (zusätzliches?) Problem der Nerven und/oder der Kommunikation zwischen Nerven und Muskeln vorliegt, die für die Steuerung des Stuhldrangs zuständig sind.
Deshalb wälze ich auch wieder den Gedanken an einen Schrittmacher als mögliche Option.
Auch bin ich nicht sicher ob und inwieweit die Rektozele schuld ist an der Problematik. Denn verhindere ich (vorübergehend mit einem Tampon in der Vagina während der Periode), dass sie aussacken kann, ändert das rein gar nichts an meiner Symptomatik!
(Nichts anderes wäre zB. auch das Ergebnis einer Rektozelen-OP - Frauen bei denen die Rektozele wirklich die Ursache ist, hilft es nämlich meist, wenn sie einen Tampon tragen oder während des Stuhlgangs mit dem Finger in der Vagina die Rektozele „wegdrücken“ - also beseitigt die operative Entfernung dann auch ihre Beschwerden.)
Zusätzlich sei noch erwähnt, dass ich seit meinem 14. Lebensjahr an einer mittelschweren Skoliose (Wirbelsäulenverümmung) und zusätzlichem Hohlkreuz leide.
Bei der MR-Defäkographie kam, als Zufallsbefund, noch etwas heraus: Der Übergang von Kreuzbein zu Steißbein zeigt eine auffällige Form mit einer Knickbildung von über 90 Grad!
Ich habe die Bilder gesehen und mit anderen verglichen, dort wo die Wirbelsäule normalerweise in rundem, sanften Schwung ausläuft, bildet meine einen regelrechten Haken.
Und genau an dieser Stelle verläuft ja auch der Enddarm.
Möglich, dass es nur eine Laune der Natur ohne gesundheitliche Relevanz ist (der junge Assistenzarzt, welcher mich im Israelitischen Krankenhaus betreute, sah hier nicht die Ursache bzw. konnte dazu keine Aussage treffen, weil er damit noch keine Erfahrung hatte).
Für mich wäre es aber auch absolut schlüssig wenn diese Anomalie einen Einfluss auf die so komplexe Nerven -, und Muskeltätigkeit des Entleerungsapparates hat.
Deshalb ist das auch noch ein Punkt den ich in die Diskussion um Ursache und Behandlung meiner Stuhlentleerungsstörung mit einfließen lassen möchte.
So, jetzt komme ich aber erstmal zum Ende und danke jedem ganz herzlich, der sich die Mühe gemacht und Zeit genommen hat, sich meinen Roman durchzulesen!
Ich bin froh und dankbar um jede Idee und jeden Impuls und freue mich auf den Austausch mit euch!
Liebe Grüße,
Maditha
PS: mit der Blase habe ich, falls relevant, übrigens keine Probleme: weder Entleerungsstörung noch Inkontinenz.